Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
mich unsichtbar, stand auch jemand ... und dann drückte dieser Jemand die Klinke herunter!
Da ich dazu neigte, mich nicht erinnern zu können, ob ich die Türe meiner Wohnung abgesperrt hatte oder nicht, musste ich an ziemlich vielen Abenden die Klinke probieren, und jedes Mal klopfte mein Herz ein wenig schneller bei der Vorstellung, eine Hand auf der anderen Seite könnte meine Bewegung nachäffen.
Ich wurde aber von dem Problem einer rätselhaften Gegenwart sofort wieder abgelenkt, als Alec mir ein Ende des braunen Klebebandes in die Hand drückte und sich daran machte, die Rolle quer über die Türe zu ziehen. Er brachte drei oder vier solcher Streifen an, und auf jeden setzte er mit einem Textilmarker seine schwungvolle Unterschrift, damit niemand auf die Idee kam, die Streifen erst zu entfernen und dann neue anzubringen.
„Du bist ganz schön raffiniert“, bewunderte ich ihn. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, als erstes den Tatort zu sichern.“
Er lächelte schwach. „Ich habe schon allerhand Tatorte gesehen, Charmion, aber das war einer der wenigen, bei denen ich wirklich geschockt war.“
Es gefiel mir, dass er nicht – wie andere Männer das gerne taten – den strahlenden Helden herauskehrte, wenn er keiner gewesen war, daher versetzte ich rasch: „Ich möchte wissen, wer da nicht geschockt gewesen wäre. Wahrscheinlich hat nicht einmal die Gesellschaft für Parapsychologische Forschung viele solcher drastischer Erscheinungen in ihren Akten. Die meisten Gespenster sind nur Schatten, die man aus dem Augenwinkel sieht, oder die zwei Sekunden vor einem in der leeren Luft hängen.“
Wahrscheinlich merkte er, dass ich nur so lebhaft dahinplauderte, weil mir mehr als mulmig zumute war, aber das war mir gleichgültig. Ich spürte, wie mir der Schweiß in den Achseln ausbrach. Das Stück Drahtglas war eine einzige blinde dunkelgraue Fläche, aber ich erwartete jeden Augenblick, dass irgendein unsägliches Gesicht sich von innen daran platt drücken und mich anstarren könnte. Mir war übel. Das Böse, das hier präsent war, war deutlich zu spüren, und zwar nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb meiner selbst. In mir stiegen Gedanken auf, die ich nicht wahrhaben wollte, kalte und verderbte Gedanken, für die ich mich vor mir selber schämte. Das Ding im Keller schien den bitteren Bodensatz in mir aufzustören. Ich atmete zutiefst erleichtert auf, als unsere Arbeit abgeschlossen war.
Bei den Kellerfenstern war es weniger schlimm, weil sie aus Milchglas bestanden. Diesmal musste ich jedoch das Kleben alleine übernehmen, denn die Fenster – eigentlich nur Luken – lagen dicht über dem Boden und Alec hätte zu große Mühe gehabt niederzuknien. Ich musste mich auf den Bauch legen, um die Streifen anzubringen. Dabei blieb mir einmal fast das Herz stehen, als ich einen Schatten zu sehen glaubte, der sich von innen dem Fenster näherte. Mit einem erstickten Aufschrei fuhr ich zurück. Aber als ich das nächste Mal hinsah, war nichts mehr zu erkennen, also war es vermutlich mein eigener Schatten gewesen, den das wechselnde Sonnenlicht bewegt hatte.
Jedenfalls hoffte ich das!
Wir kehrten ins Haus zurück. Wir sperrten die Eingangstüre auf, und wieder hatte ich das inzwischen schon vertraute Gefühl, dass eine betriebsame Gesellschaft sich plötzlich unsichtbar machte. Einen Moment überkam mich der närrische Drang, laut ins Innere zu rufen: „Ich weiß, dass ihr da seid! Ich habe euch gehört!“ Seltsamerweise empfand ich dieses spukhafte Belebtsein jedoch nicht als unangenehm, sondern sogar als tröstlich, genauso, wie ich es in meiner alten Wohnung genoss, dass mich ein bewohntes Gebäude umgab. Ich kannte die anderen Mieter zwar kaum, aber ich hörte gerne die gelegentlichen Geräusche aus ihren Wohnungen, das jähe Aufquaken eines Fernsehapparats, Schritte, Kinderlärm und das dumpfe Gebell von Hunden. Es gab mir das Gefühl der Sicherheit, nicht allein zu sein. Vielleicht lag es auch daran, dass uns nach dem, was uns im hinteren Flur begegnet war, die harmlosen Hologramme der Erinnerung nicht mehr erschrecken konnten.
Die Sonnenflecken hinter der Eingangstüre waren verschwunden. Der hintere Teil des rechten Flurs lag in einem dräuenden Halbdunkel. Wenigstens dachte Alec nicht daran, dort hinten herumzukriechen; er klebte einfach unmittelbar hinter Cocos Türe drei oder vier Längen Band quer über den Flur, wobei er wieder jede Länge signierte. Die ganze Zeit, während er damit
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