Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
scharlachrot, einmal rosenrot, dann wieder beinahe aprikosenfarben, aber immer war es berückend schön und ein gutes Vorzeichen, und jeder der Vier schätzte sich glücklich, wenn er oder sie mit einem solchen Traum gesegnet wurden. Sie fühlten sich dann tagelang frisch und voll Energie, die beiden Frauen blühten auf, während die Männer sich als ungewöhnlich potent erfuhren – „sogar Robert, obwohl er schon ein so alter Mann ist.“
Ich gab keinen Kommentar zu dieser Bemerkung ab und fragte statt dessen: „Und was ist es?“
Coco zuckte die Achseln. „Das wissen wir nicht. Manchmal ist es im Speicher oben, aber wenn es dort ist, kann niemand hineingehen, auch Robert nicht. Es wartet auf etwas. Wir wissen aber auch nicht, worauf. Vielleicht müssen wir erst sieben sein, bevor wir es erfahren.“
Unter diesem Gespräch hatten wir den Fuß des Hügels erreicht, und Coco verabschiedete sich von mir. Ich ging weiter zum Bezirksmuseum.
Der greise Kustos erkannte mich wieder und freute sich herzlich über mein Interesse. Er wühlte bereitwillig in verschiedenen Laden, die alte Pläne der Umgebung enthielten, und brachte mir auch ein Buch, einen Nachdruck von Reisebeschreibungen aus dem 18. Jahrhundert. Da ich nicht sehr geschickt darin bin, Pläne zu lesen, dauerte es eine ganze Weile, bis ich mich auf den altertümlichen Karten zurechtfand. Ich schaffte es überhaupt nur, weil der Hügel seit Olims Zeiten Larabaya-Hügel geheißen hatte, schon lange, bevor das erste Haus dort gebaut worden war. Nahe seiner Kuppe war ein Fleckchen eingezeichnet, das den Namen „Feuerwald“ trug. Es musste in etwa dort gelegen sein, wo sich jetzt die Villa Maunaloa befand.
Ich überprüfte die anderen Karten. Auch auf ihnen war ein Feuerwald eingezeichnet. Warum der Wald so genannt worden war, ob die Bezeichnung mit „Brandwald“ identisch war oder etwas anderes bedeutete, fand ich jedoch nicht heraus.
Erst das Buch mit den Reisebeschreibungen half mir weiter.
Die entsprechende Stelle lautete in ihrem putzig antiquierten Stil: „Sodann erklimmt die Reisekutsche einen mäßig steilen, sanft gerundeten Hügel, welchen man den Larabaya-Hügel nennt; selbiger ist dicht mit Birken, Buchen, Ulmen und anderen Laubbäumen bewachsen, so dass er zu allen Jahreszeiten, außer im Winter, einen lieblichen Anblick bietet. Ist die Steigung jedoch beinahe bezwungen, so merkt der Reisende, wie der Kutscher auf die Pferde einschlägt, und wie diese selbst sich mit verstärkter Kraft ins Geschirr legen, damit sie die Stelle eilends hinter sich bringen, denn der Platz dort, den man den Feuerwald nennt, ist nicht geheuer. Ein dunkles Geheimnis breitet seinen Schatten über diesen Ort. Dem Auge freilich bietet sich kein anderer Anblick dar als ein lichtes Wäldchen, darin sich eine Mulde befindet, mit einem Durchmesser an die zehn Fuß; diese Mulde wird ‚die Feuerquelle‘ genannt. Woher der Name aber kommt, ist lang verschollen.“
Das war nun wirklich merkwürdig, umso mehr, als ich eben noch mit Coco über ein feuriges Phänomen gesprochen hatte. Aber da das Geheimnis des Ortes schon im 18. Jahrhundert als „lang verschollen“ gegolten hatte, bestand nicht viel Hoffnung, dass ich es im 21. Jahrhundert noch entdecken würde.
Trotzdem erwähnte ich es dem alten Kustos gegenüber, und zu meiner Überraschung wusste er durchaus etwas dazu zu sagen. Der Ort, erzählte er mir, war mit einem geisterhaften Wesen in Verbindung gebracht worden, vielleicht einer vorzeitlichen Göttin, denn die „Feuerfrau“, wie man sie nannte, erschien immer in Gestalt einer hageren alten Frau mit langem, offenem grauen Haar. In der Handfläche trug sie eine lebende Flamme. Wie die Vulkangöttin, Madame Pele, spendete sie Segen, aber wenn sie beleidigt wurde, reagierte sie bösartig und rachsüchtig. Dass die neureichen Schwertsaks ihr Heiligtum nicht respektiert und ihr profanes Haus mitten auf die Feuerquelle hingeklotzt hatten, war die Ursache des Fluches gewesen, der die Familie und alle weiteren Bewohner des Hauses verfolgte.
Es war eine Volkssage, wie es Hunderte gab, und doch fühlte ich mich sehr angesprochen davon. Ich empfand etwas wie Sehnsucht, als ich dem alten Mann lauschte, der mir mit seiner heiser gebrochenen Stimme die Geschichte erzählte. Tief im Bauch, wo sonst die sexuellen Gefühle saßen, machte sich ein Verlangen bemerkbar; ich musste an die Kundalini denken, die Schlange der Lebenskraft, die nach dem Glauben der Inder
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