Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
die Hand, in der er seinen Gehstock hielt, aus und angelte mit der Krücke nach dem Mann. „Wir machen ein Experiment. Kommen Sie einmal her ... Charmion behauptet, hier befinde sich ein geheimnisvolles magnetisches Feld. Sagen Sie uns, ob Sie hier etwas Besonderes spüren.“
Junkarts starrte ihn an, und der Ausdruck guter Laune schälte sich von seinem Gesicht wie feuchte Tünche. Er wich dem angelnden Stock aus, als könnte der sich in eine Schlange verwandeln. Eine dumpfe Röte stieg vom Hals hoch und bedeckte wie eine Schicht billigen rosa Puders sein Gesicht. Es war offenkundig, dass Alecs Ansinnen in ihm eine siedend heiße – und ziemlich explosive – Mischung von Scham, Angst und lustvoller Erregung hervorgerufen hatte: Er sah aus wie ein Mann, der am Ort seiner allerheimlichsten (und nicht unbedingt salonfähigen) Fantasien angetroffen wird. „Ich – ich habe vergessen, den Wasserhahn abzudrehen“, stammelte und war blitzschnell wieder bei der Hintertür draußen.
Alec war diese Mimik nicht entgangen, und in seine Skepsis mischte sich Neugier. Er stand still und schloss die Augen.
So stand er ein, zwei Minuten lang, während ich ihn aufmerksam beobachtete. Dann meldete er: „Versuchskaninchen an Versuchsleiterin: Es ist ziemlich warm hier, und es riecht merkwürdig.“
„Wonach?“, fragte ich, ohne auf seinen matten Witz einzugehen.
„Hmm ... Wandbespannung, würde ich sagen. Mottenzerfressene Wandbespannung, die seit ewigen Zeiten nicht mehr gereinigt worden ist. Schnaps, Kaffee und Tabak. So, wie Kaffeehäuser riechen oder Bars ... bunte Flaschen voll billiger alkoholischer Getränke ... du weißt schon, dieses perverse Zeug, das nach Kokosmilch oder Maracuja schmeckt und dich halb umbringt ... Hurrikan ...“
„Hurrikan was?“
Er stand immer noch mit geschlossenen Augen da. „Es riecht nach Hurrikan. Keine Ahnung, woher ich das weiß. Ich habe Hurrikans immer nur auf der Meteosat-Karte von CNN gesehen. Und es ... das ist wirklich abstrus ... es riecht nach Pest.“
„Pest?!“
Er ging nicht auf meine Frage ein, sondern lauschte eine gute Minute in sich hinein, dann schüttelte er heftig den Kopf und öffnete so abrupt die Augen, dass die Augäpfel aus den Höhlen zu springen schienen. Ein sattes, ziemlich boshaftes Lachen gluckste in seiner Kehle. „Ich möchte doch zu gern wissen, wonach es für unseren rothaarigen Freund hier riecht, dass er so schnell beim Tempel draußen war.“
„Lenk nicht ab, Alec. Erzähl mir genau, was du gefühlt hast.“
Er ging zur Vordertüre, öffnete sie und winkte mir, mit in den Garten zu gehen. Dort setzten wir uns auf die Gartenstühle, die unter einer der Zypressen standen, und Alec erstattete Bericht. „Du wirst jetzt vielleicht enttäuscht sein, Charmion, aber inzwischen ist mir eingefallen, dass es ein Buch war, an das ich dachte. ‚Wyatts Hurrikan‘ von Desmond Bagley. Ein 08/15 Katastrophenthriller. Junger Meteorologe sieht gefährlichen Hurrikan Mabel auf karibische Insel zueilen, Warnung wird aus politischen Gründen unterschlagen, Hurrikan Mabel verwüstet Insel, nur Meteorologe mit Freundin überlebt.“
„Es scheint aber ein Buch gewesen zu sein, das dich sehr beeindruckt hat“, bemerkte ich, denn nur einem Idioten wäre entgangen, wie sehnsuchtsvoll seine Stimme klang und wie seine Augen glänzten.
Er wollte widersprechen, warf dann aber resignierend die Hände hoch. „Okay. Du hast gewonnen. Es war ein wundervolles Buch. Ich wäre wahnsinnig gerne ein drahtiger, furchtloser junger Meteorologe und nicht ein fetter alter Rechtsanwalt mit kaputten Bandscheiben, ich möchte die schweißtreibenden Sommernächte in San Fernandez erleben und in billigen Bars über Gottesgeißeln wie Pest und Hurrikans philosophieren, während die schwarzen Wolken langsam zu rotieren beginnen ... Lach mich meinetwegen aus!“
„Habe ich dich schon jemals ausgelacht?“
„Nein“, gab er zu. „Und du hast recht, wir sollten uns dafür interessieren, was mit dieser Stelle des Hauses los ist. Ich werde Dampf dahinter machen, dass Kornisch uns besucht. Einverstanden?“
„Völlig einverstanden“, stimmte ich zu. In Gedanken war ich jedoch bei der Frage, was wohl Terry und Elena und Coco fühlten, wenn sie sich an den verhexten Ort stellten – und natürlich, was Robert Junkarts dort fühlte!
Blut und Rosen
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