Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
Hintergarten wieder zuschaufeln dürften. Die gerichtsmedizinische Untersuchung der Überreste hatte ergeben, dass es sich tatsächlich um eine Frau handelte, die vor rund sechzig Jahren erschossen worden war, und einige Details hatten mit der Beschreibung von Magda Gutzloff übereingestimmt. Die Körpermaße waren dieselben, auch hatten die Haarsträhnen, die in der Grube gefunden worden waren, dieselbe graubraune Farbe gehabt, die im Signalement der Toten vermerkt war. Darüber hinaus war noch festzustellen gewesen, dass die erschossene Frau einmal einen komplizierten Bruch des Oberschenkels erlitten hatte, was auch bei Gutzloff der Fall gewesen war. Die Polizei war jedenfalls zufriedengestellt, und ich nahm an, dass bei den antifaschistischen Organisationen die Sektkorken knallen würden, wenn sie erfuhren, dass der Todesengel es nicht bis ins sichere Südamerika geschafft hatte.
Kommissar Brandsteidl hatte allerdings nicht nur angerufen, um uns höchstpersönlich von den Fortschritten der Untersuchung in Kenntnis zu setzen. Er interessierte sich auch sehr für Robert Junkarts. Er wollte wissen, ob wir ihn schon länger kannten, ob wir über seine Geschichte Bescheid wussten, ob er uns viel über sich erzählt hätte. Natürlich fragte Alec ihn, warum er das alles wissen wollte. Die Antwort hieß: Brandsteidl wollte es nicht für sich selbst wissen, sondern für seinen Kollegen, Kommissar Sykora, der seinen ‚liebsten Feind‘ noch längst nicht aufgegeben hatte. Aus irgendeinem Grund – vielleicht auch nur aus Ärger über den verstockten Zeugen – ließ dem Beamten die vier Jahre alte Geschichte keine Ruhe, und nun wollte er Alec sprechen und sich mit ihm über seinen Hausgenossen unterhalten.
Mein Gefährte weigerte sich. Er sei mit Robert Junkarts nicht so intim, dass der ihm Dinge eingestanden hätte, die er der Polizei verschwieg, und es sei auch nicht seine Aufgabe ihn auszuhorchen. Aber wenn es sich ergab, würde er ihn natürlich darauf aufmerksam machen, dass es klüger sei, den Behörden reinen Wein einzuschenken. Damit musste der Kommissar sich zufrieden geben, obwohl er merken ließ, dass er verärgert war.
Am Ende der Woche steckte ein Exemplar der wöchentlich erscheinenden Lokalzeitung im Briefkasten, und ich stellte fest, dass wir darin erwähnt waren. Der Artikel beschrieb über eine ganze Seite hinweg den „grauenvollen Leichenfund“ im Hintergarten und das von Gespenstern wimmelnde Haus – das alles unter der Überschrift: „Die Horror-Königin und ihr Spukhaus.“ Ich war mit einem Schlag zur lokalen Berühmtheit geworden. Wenn ich zum Fenster hinausblickte, konnte ich sehen, wie Passanten stehen blieben und mit runden Augen das Haus angafften.
„Ich reiße diesem Zeitungsschmierer den Arsch auf“, drohte Alec. Er war besonders schlecht aufgelegt, weil die Zeitung uns als Ehepaar bezeichnet hatte und er sich davor fürchtete, dass alle seine Adoptivkinder ihn der Reihe nach anrufen und Erklärungen fordern würden.
Ich war ganz in der Stimmung, ihm beim Arschaufreißen behilflich zu sein. Ich konnte mich nur schwer daran gewöhnen, ein Star zu sein. Zwar war mein Name weithin bekannt, zumindest unter den Lesern, die Horror goutierten, aber da ich sehr zurückgezogen lebte, war ich noch kaum persönlich mit meinem Ruhm konfrontiert worden. Es lag mir auch nicht, öffentliche Auftritte zu machen. Ich wollte meine Ruhe haben. Nichts gegen Autogrammstunden, aber wenn ich in meinem Privatleben dazu aufgefordert wurde, kam ich mir vor wie ein Hund, der Pfötchen geben muss!
Ich war sehr gespannt gewesen, wie lange es dauern würde, bis Robert Junkarts von neuem seinem Dämon unterlag. Nicht sehr lange, hatte ich mit mir selber gewettet. Und ich gewann.
In den ersten Tagen nach unserem
folie de deux
war er mir aus dem Weg gegangen, aber danach normalisierte sich unsere Beziehung wieder. Das heißt, wir grüßten einander, wechselten ein paar freundliche Worte, sooft wir einander über den Weg liefen, und kommentierten gemeinsam die gelegentlichen Spukerscheinungen. Allerdings achtete er sehr darauf, dass er nie unter vier Augen mit mir zusammentraf. Wenn ich mit ihm allein im Haus war – was nicht selten vorkam, weil ich inzwischen einen zweiten Computer angeschafft hatte und oft in der Villa Maunaloa arbeitete – bunkerte er sich in seinem Zimmer ein und kam nur heraus, wenn er sicher sein konnte, dass die Luft rein war.
Dann, Mitte Juni, packte es ihn wieder.
Ich merkte es schon
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