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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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erschreckt. Das geht nicht vorbei, Américo, das geht nicht vorbei. Ihr Tod geht nicht vorbei. Américo wartete ein paar Sekunden, damit ich mich beruhigte. Er wollte eine reine Stille erreichen, wie ein unbeschriebenes weißes Blatt Papier, auf das er einen würdigeren Satz schreiben könnte, und er sagte, eines Tages wird Ihnen diese Trauer guttun. Die Erinnerung an Ihre Frau wird Ihnen ein Lächeln auf die Lippen zaubern, denn das ist es, was die Trauer bewirkt, sie baut eine Erinnerung auf, die wir stolz als Trophäe des Lebens bewahren. Eines Tages, Senhor Silva, wird Ihre Frau eine Erinnerung sein, die nicht mehr weh tut und Ihnen allein nur Glück bringt. Das Glück, dass sie mit Ihnen eine unglaubliche Liebe gelebt hat, die Sie nicht mehr quälen kann, sie bringt Ihnen dann nur noch das Glücksgefühl, dass Sie so etwas erlebt, dass Sie so etwas verdient haben. Ich bin sogar neidisch auf Sie, Senhor Silva, weil ich einunddreißig bin, und immer noch unverheiratet, mir bleibt nicht mehr die Zeit für fünfzig Jahre einer großen Leidenschaft.
    Das war das Geheimnis, das nur die Zeit bewahrte. Nur die Zeit würde ein solches Wunder offenbaren. Die Zeit und die Empfindsamkeit eines Menschen, der sah, dass vor seinen Augen die Zeit zu Ende ging, jeden Tag.

7 Portugal erben

    Wir haben alles mit der Kirche gemacht, weil die Konventionen damals viel strenger waren, als es uns in der Unbedarftheit unserer Jugend lieb sein konnte. Noch prägte uns das kastrierende Erbe einer Erziehung, die von uns den Besuch der Messe verlangte, doch die größte Schwierigkeit war, sich darüber hinwegzusetzen, welches Benehmen die anderen von uns erwarteten. Jedenfalls entdeckte Laura rasch das allgemein verbreitete Verlangen der Bräute, als glücklicher Pfannkuchen ganz in Weiß mit Rüschen und vielen Schichten Stoff zu erglänzen und am Arm des Vaters mit dem strahlendsten Lächeln von allen zum Altar zu schreiten. Dann gaben wir uns das Jawort und unterschrieben alles in ziemlicher Eile. Wir baten nachdrücklich um eine möglichst kurze Zeremonie, die unserem dringenden Verlangen entsprach, ein Ehepaar zu werden und unseren ehelichen Pflichten nachzukommen. Der Pater sah die Sache mehr von der romantischen Seite und spendete uns, begeistert über unsere Freude, seinen Segen. Anschließend blieben wir mit der Familie und ein paar Freunden zusammen, um den Tag mit Beglückwünschungen und Lachen, Festessen und Rundfunksendungen zu verbringen, weil wir wissen wollten, was an diesem Sonntag in der Ersten Liga los war. Wir waren im Jahr neunzehnhundertfünfzig.
    Noch heute habe ich den Kommentar der alten Leute im Ohr, Väterchen tut das alles, damit Benfica den Ruhm der Nation mehrt. Das war, als hätte man mit dem Herzen eine Sportarmee aufgestellt, eine Nationalmannschaft also, die auch mit dem Herzen angenommen wurde, nachdem das mit Sporting in die Hose gegangen war. Das Regime war ganz stolz auf die afrikanischen Importe im Kader, als Europa noch nicht erkannt hatte, wie vorteilhaft es war, zur Verstärkung der Mannschaften Schwarze zu holen. Alle wurden nun gleichermaßen Benfica-Anhänger, wobei, eigentlich waren sie alle nur deshalb für Benfica, weil niemand mehr gegenhalten konnte und alle für einen Rekordmeister schwärmen wollten, und man kann sich gar nicht vorstellen, mit welcher Begeisterung sich der Diktator den Fußball der roten Adler ansah. Ein Fußball, verkörpert in Eusébio, das war einer von uns, dieser grandiose schwarze Panther, der für den Ruhm Portugals rannte. Ich, der immer FC-Porto-Fan war, mochte Eusébio ebenso, man konnte ihn gar nicht nicht gernhaben. Ich hatte ihn unheimlich gern, und er war, natürlich mit dem Herzen, auf Väterchens Seite, was beträchtlich dazu beitrug, mein nicht immer hellsichtiges Misstrauen gegen das Regime einzuschläfern. Da Porto für den Lokalpatriotismus und Benfica für den nationalen Ruhm bereitstanden, schienen die Verhältnisse ausgewogen zu sein, da war nichts an ihnen auszusetzen.
    Aber im Jahre neunzehnhundertfünfzig lagen die Dinge noch nicht so ganz klar, meine ich. Was richtig war und was falsch war schwer zu unterscheiden. Denn Benfica war ja noch nicht Rekordmeister, und Salazar wirkte noch nicht als der Ekelbatzen, den das Volk auf Anhieb durchschauen konnte. Wir wussten ja nichts. Um den Krieg waren wir drumrumgekommen, und es sah so aus, als wäre das Leben im Land der fünf Wappenschilde hinter dicken Mauern geschützt, eine mannhafte Brust, die

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