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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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um die Ecke biegen und nach Hause gehen, ohne dass ich mich noch einmal umgesehen hätte. Ein Jahrzehnt früher hätte mir dafür die nötige Courage gefehlt. Man hätte mich allzu leicht durchschauen können, und ich hätte nicht einmal eine Münze versteckt, von der ich nicht wusste, woher sie stammte. Niemals aber hätte ich gar, mit seinem ganzen Wert, einen Menschen versteckt! Dieser Wert war, wo ich selbst doch so schwach in allem und stets schutzlos gewesen war, zu groß, als dass ich ihn hätte beurteilen können. In meinem Frisörladen saß, über sein, nun aber auch über mein Schicksal wachend, noch der Mann auf der Flucht. Ein viel jüngerer Mann als ich, der sich keineswegs an die Diktatur gewöhnt hatte und sie unterminierte, so gut er konnte, hier und da eine Bresche schlagend, damit wenigstens bekannt wurde, dass das Volk unzufrieden und sterbenskrank war. Das war das Schlimmste, was man tun konnte, denn was Salazars Estado novo am wenigsten vertrug, war Widerstand. Die Manifestation einer abweichenden Idee als Zeichen unserer Anstrengung, nicht immer nur mit der Masse mitzulaufen. Ich hatte schon seit geraumer Zeit zu Laura gesagt, dass man uns einen Maulkorb verpasste, weil der Diktator glaubte, dass er schon wüsste, was gut für uns ist. Komm, kleiner Portugiese, bleib hübsch ruhig in deiner Ecke, zum Denken bin ich da, schließlich bin ich gelehrt und Doktor. Er hielt uns tatsächlich alle für lammfromme Dummköpfe, die brav die Lobeshymnen singen, und keine Widerrede! Salazar glaubte wirklich, schlimmstenfalls wären alle wie ich, in erster Linie Familienvater, dessen größte Rebellion darin bestand, sich von der Kirche loszusagen, und selbst das ganz diskret, nur so weit wie möglich. Denn die Kinder hatte ich taufen lassen und meine Proteste runtergeschluckt. Wer damals nicht getauft war, war in der Gesellschaft schlecht angesehen und wurde bei unzähligen Gelegenheiten zurückgesetzt. Wir ließen den Kopf der Kinder nass machen in der Kirche, weil sie keine Schwierigkeiten kriegen sollten. Überzeugt davon, dass sie, wenn sie wollten, das Wasser auf dem Kopf später abtrocknen könnten, und das haben sie schließlich ja auch getan.
    Ich kam nach Hause und tat, als wäre nichts geschehen. Zu Laura sagte ich kein Wort über die Sache. Sie war in ihrem Herzen menschlich genug, um zu verstehen, was ich getan hatte, doch die schon am Tisch sitzenden Kinder waren noch so klein und verlangten so nach Sicherheit und Unterhalt, dass sie immer überängstlich und vorsichtig bei allem war. Ihr wäre lieber gewesen, da bin ich mir sicher, wir wären immer auf Nummer sicher gegangen. Das war ihre Art, an der Welt teilzuhaben. Nie anecken. Keine Unordnung dulden oder gar selber stiften. Darum mochte sie auch nicht, wenn ich mit ihr über Politik diskutierte. Über Politik sollte zu Hause nicht gesprochen werden. Wir sollten uns an Gedichten, Folklore und Fados erfreuen, sonntags wollte sie mit mir spazieren gehen und mit den langsam groß werdenden Kindern spielen, so war unser Leben, bloß nicht die Haifische reizen, die uns beißen konnten. Verliebt, wie ich war, ließ ich mich erweichen und riskierte nichts, weil ich ihre Vorsicht durchaus achtete, diese mütterliche Klugheit, die die Familie in den Mittelpunkt stellte. Dabei ließ ich es zu, dass die Gesellschaft unter diesem Geflecht ehrbarer, auf den Schein bedachter Familien vor sich hin faulte und alle einer sozialen Gehirnwäsche unterworfen waren, mit dem Blaustift wurde unterstrichen, worauf es ankäme in der Welt, und das sollten wir hochschätzen. Oh, Ruhm und Ehre Salazar, wie ungeheuer groß die Brücken waren und wie lang die Straßen, wie hübsch die Kindchen waren bei ihren Leibesübungen und beim Singen patriotischer Lieder. Wir waren wie ein großes Legoland, arme Schlucker, aber außen und innen schön sauber gewaschen, damit wir gehorchten. Freut euch des Lebens, meine Landsleute, es ist in unserer Heimat kein Unglück, arm zu sein, sang die große Amália in ihren Fados, denn da ist Brot und Wein im portugiesischen Heim, wie auch bescheidener Komfort und Zärtlichkeit im Überfluss, und sie, die nach Frankreich flog, um sich neue Kleider zu kaufen, in den Boutiquen shoppte, in denen sich die Hollywood-Stars einkleideten, sie behängte sich mit dicken Klunkern und hat sogar Brasilien und Spanien gesehen, sie war dafür da, dass wir sie liebten und fest daran glaubten, wie gut wir zu Hause aufgehoben seien, was für so gute Menschen

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