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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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beteiligen, ohne dass sie das Weite suchen konnte, ohne dass sie sich gegen die aufgeregten Attacken unseres klugen Freundes verteidigen konnte. Der Schlauste, dachte ich verblüfft, der Einzige, der dreist genug war, um an Liebe zu denken und das auch zu zeigen. Dieses Schlitzohr!
    Bei den glücklichen Alten waren wir stets dreiundsiebzig Personen. Es waren stets dreiundneunzig alte Männer und Frauen untergebracht. An dieser Zahl änderte sich nichts. Nach jedem Abgang rückte wieder jemand nach, damit die Nutzerzahl stabil blieb, wie ein vollkommenes, lückenloses Universum, das sich von den Brosamen der Zeit nährt, die den Leuten bleibt. Unsere Reste machen alle zusammen das Leben der Angestellten aus. Wenn jemand stirbt, ist das daher immer nur ein Ereignis von relativer Bedeutung. Wie ein Augenzwinkern. Wenn wir besser sehen könnten, würden wir auf den Stühlen und an den Tischen des Speisesaals vielleicht einen Neuen entdecken, aber wir bräuchten ziemlich lange, bis wir merkten, dass sich etwas verändert hat. Wenn Beifall geklatscht wurde, weil ein Mitarbeiter entdeckt hatte, dass ein neuer Gast seine erste Mahlzeit einnahm, und ein Zeichen gab, oder wenn er den Neuen selber lautstark begrüßte, streckten wir den Hals, um zu sehen, wer es war, wer der Ankömmling sein würde, der sich der Welt aus rechteckigen und runden Tischen anschloss, wo wir uns daran gewöhnten, uns von der Welt zu verabschieden.
    Der europäische Silva rief, wir sind ja heute ganz still. Wir sind still, Freund Silva. Doktor Bernardo antwortete, wir sind beim Essen, das kommt vom Hunger. Ich sagte, Anísio geht auf Brautschau. Anísio, der Schwerenöter, steigt den Mädels nach, während wir hier darüber sinnieren, dass in unserem Alter eh nichts mehr zu machen ist. Der europäische Silva wurde ganz hibbelig und erklärte, ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass dieses Gerede über Sex im Leib und dass die Maschine Sex will und über die Hormone und weiß ich was auf weniger intellektuelle Art erklärt werden müsste. Nicht dass der Teufel weiter Ausschau hält, ob er mit dem zäpfchenzerfressenen Hinterteil immer noch Eier legt.

20 Was da reinpasst ist klein

    Dona Glória do Linho schien ein feinfühliges Wesen zu sein, vollkommen arglos und mädchenhaft. Sie war nicht unerfahren in der Liebe und wollte sich nicht damit abfinden, dass sie auf das Werben eines ansehnlichen Doktors der Kunstgeschichte so schüchtern reagiert hatte. Dona Glória do Linho hatte das Zimmer dieses Anísio mit den strahlenden Augen besucht und war sich zwischen all den bedeutsamen, schönbemalten Statuen, die er sein Eigen nannte, ganz klein und winzig vorgekommen. Sie meinte, sich in einem kleinen Museum zu befinden, das so wertvoll wie ein ganzes Leben war und noch größer als ein Leben, weil es hier viele Dinge gab, die für immer zum Erbe aller Menschen gehören mussten und kostbarer waren als alle Menschen. Diese Dinge sind unwiederbringlich. Menschen werden immer wieder geboren, aber solche Kunstgegenstände kommen nicht so einfach auf die Welt. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, es ist so, als wären sie seltener als Menschen. Anísio sagte, diese Sachen sind aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, und vielleicht haben sie dem König oder den vornehmsten Adligen der Geschichte gehört. Sie lächelte unbeholfen, sie erinnerte sich an ihr Leben als Schneiderin und verglich sich, als sie mutig auf dem Bett saß, mit der großen Bedeutung dieser Dinge und deren Vergangenheit. Dona Glória do Linho hatte nicht einmal eine richtige Vorstellung, was Könige eigentlich darstellten, wofür sie im Alltag früherer Zeiten gut waren. Sie stellte sie sich unsympathisch vor, umringt von Dienern, die sie mit teurer Kleidung und köstlichen Speisen versorgten und sie sogar bei dem begleiteten, was das Volk, wie es längst herausgefunden hatte, besser allein erledigte. Sie wusste nicht, worin das Schicksal solcher Leute mit ihrem eigenen übereinstimmen konnte. Die ihren Augen preisgegebene Gegenwart dieser auserlesenen Gegenstände brachte sie gar auf den Gedanken, dass anderer Menschen Vergangenheit nun in ihre Hände gelangt sei. Sie errötete, als sie auf dem Bett saß, und ließ nicht viele Worte vernehmen, wie sie auch nur Dummheiten zu sagen schien, wenn sie sich verständlich machen wollte. Sie musste, wie sie fand, mit der romantischen Situation zurechtkommen, in diesem Zimmer zu sein, auf diesem Bett zu sitzen. Alles rundum

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