Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Harmonie. Eine, die dem Roten-Drachen alles meldet, was in deinem Betrieb vorgeht.«
»Mr. Huang hat vorhin noch gesagt, das Feuer sei kein Zufall gewesen. Ein Feuerwehrmann fand einen leeren Benzinkanister und Lumpen. Meine Firma ist so klein, Gideon, und Roter-Drache so groß. Warum sollten diese Leute so etwas tun?«
Der Wind peitschte Gideons schönes Haar, der mir durch das Dröhnen seines Automotors hindurch antwortete: »Ich weiß, wie groß sie sind, Harmonie. Wo immer ich bisher tätig war, habe ich gesehen, daß die Arbeiter Roter-Drache-Mittel benutzten. Ich selbst halte das Zeug übrigens auch für minderwertig.« Ein Lächeln blitzte auf. »Keine so hervorragende Qualität wie deine Sachen. Leider hat Roter-Drache Abkommen mit allen großen, ausländischen Unternehmen – auch mit der Titan Minengesellschaft, bei der ich unter Vertrag bin. Das Unternehmen stellt seinen Arbeitern als freiwillige Sonderleistung Unterkunft, Essen und medizinische Versorgung.«
Wir hielten an einer Ampel und sahen einen Lastwagen vorbeirollen. Das Licht wechselte, und wir beschleunigten wieder.
»Roter-Drache ging vor ungefähr zwanzig Jahren nach Südostasien«, fuhr Gideon fort, »und hat seitdem die Auslandsfirmen dort ziemlich gut im Griff. Die einheimischen Arbeiter bekommen am Arbeitsplatz die Sachen von Roter-Drache. Sie nehmen sie mit nach Hause und geben sie ihren Frauen. Wenn die Frauen dann selbst Medikamente im Dorf kaufen, sehen sie die vertrauten rotgoldenen Etiketten, und schon greifen sie zu. Jeder verwendet Roter-Drache, einfach, weil es in allen Läden steht, nicht, weil es gut ist.«
Ich legte die Hand auf das Armaturenbrett, verwundert darüber, daß Menschen reisen konnten, wenn ihnen die Straße derart schnell unter den Füßen davonlief. »Aber trotzdem – Roter-Drache ist so groß. Warum verfolgen sie ein so kleines Unternehmen wie meines?«
Er schenkte mir ein wundervolles Lächeln. »Deine Konkurrenz muß sie ziemlich beeindrucken, wenn sie sich die Mühe machen, eine Spionin einzuschmuggeln. Hast du den Besitzer von Roter-Drache je kennengelernt?«
Ich hatte sein Bild in der Zeitung gesehen. Er war ein Chinese, der Jazzmusik liebte und mit weißen Frauen in Flüsterkneipen ging, ein Mann, dem es gleichgültig war, daß seine Heilmittel nichts taugten, daß sie sogar schädlich sein konnten und daß sie falsche Versprechungen machten.
Wir brausten über den Highway, der sich an die Bucht schmiegte, und fuhren mit dem Mond, der über das schwarze Wasser eilte, um die Wette. Chinatown, Fisherman’s Wharf und den Yachthafen hatten wir weit hinter uns gelassen. Weiter vorn lag Fort Point und dahinter das goldene Tor … Golden Gate.
Endlich lenkte Gideon den Wagen von der Hauptstraße auf einen kleinen, ungepflasterten Weg, der zu einer grasbewachsenen Klippe führte. Ich seufzte erleichtert auf. Er hielt an, stieg aus, kam auf die andere Seite und öffnete meine Tür. Dann nahm er meine Hand, um mich in die belebende Nachtluft zu heben.
Er führte mich zum Klippenrand, wo der Wind an unseren Kleidern zog und uns gierig in die Haare griff. »Schau dorthin, Harmonie.« Er schwenkte den Arm. »Was siehst du?«
Ich sah den Nachthimmel, einen schwarzen Ozean, in dem Sterne funkelten, und die Ewigkeit.
Wir gingen durch das Gras und atmeten den Salzgeruch der See ein. Das grüne Gebirge gehörte uns ganz allein, und es war, als wären wir die beiden einzigen Menschen auf der Welt.
»Genau hier wird eine Brücke entstehen, quer über die Bucht, eine Verbindung zwischen San Francisco und Marin.«
»Aii-yah«, flüsterte ich. »Wie kann das sein? Es ist zu weit und das Wasser zu tief. Die Brücke würde einstürzen.«
Er lachte. »Es wird auch keine gewöhnliche Brücke sein, Harmonie, sondern eine Hängebrücke auf Stelzen. Paß auf!« Er holte ein kleines Notizbuch aus der Jacke und blätterte es auf. Seiten voller Diagramme und Zahlen flogen vorbei. Endlich fand er ein leeres Blatt und fing im Mondlicht zu zeichnen an. Dabei erklärte er: »Die Idee dazu ist mir eines Nachts im Traum gekommen. Was man tun muß, ist folgendes: man braucht drei getrennt gegossene, massive Betonsockel, die durch eine Treppenstufenkonstruktion ineinander verkeilt sind. Siehst du?« Ich schaute hin, aber ich sah nichts. Mein Blick galt der Hand des Zeichners, nicht dem Gezeichneten. Gideon hatte schöne Hände, schmal und ausdrucksvoll, die Hände eines Dichters, nicht eines Baumeisters.
»Zweck dieser
Weitere Kostenlose Bücher