Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
unterdrückte mühsam die Tränen. Richard Barclays Brief an meine Mutter – »eine Ehe ohne Liebe … ich habe Fiona aus Mitleid geheiratet … er hatte sie sitzengelassen …«
Gideon durfte es nie erfahren.
Er nahm wieder meine Hände. »Du bist damals zu meiner Mutter gegangen und hast gehofft, sie würde dich als Tochter ihres Mannes anerkennen. Du wolltest den Namen deines Vaters. Es war dein gutes Recht. Sie hätte dich nicht so behandeln, sie hätte dir seinen Ring nicht wegnehmen dürfen. Olivia hat mir alles erzählt. Aber wenn du mich heiratest, Harmonie, bekommst du den Namen deines Vaters, und den Ring gebe ich dir auch zurück.«
Ich schüttelte den Kopf. Mein Herz war so voll, daß ich erst kein Wort herausbrachte. Doch dann sagte ich: »Ich werde dich nicht deshalb heiraten, Gideon. Alles, was früher war – die Vergangenheit, mein Vater, unsere beiden Mütter –, das alles bedeutet mir nichts mehr, denn mein Leben beginnt jetzt in diesem Augenblick – mit dir. Ja, mein Geliebter, ich möchte dich heiraten.«
Er zog mich an sich und murmelte: »Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt.« Dann küßte er mich wieder.
Wir liebten uns, dort unter den Sternen über dem Golden Gate, dort, wo Gideons und mein Traum seinen Anfang nehmen sollte.
Ich musterte die acht Mädchen, die für mich arbeiteten. »Eine von euch verrät meine Geheimnisse an die Roter-Drache-Gesellschaft. Wer ist es?«
An der Art, wie sie einander ansahen und mit niedergeschlagenen Augen schwach protestierten, sie wüßten nicht, wovon ich redete, erkannte ich, daß sie die Schuldige deckten.
Wie sollte ich das Problem lösen? Was würde Gideon raten? Trotz meiner unerfreulichen Lage mußte ich lächeln. Wie konnte ich anders, als zu lächeln, wenn ich an meinen Geliebten dachte? Erst fünf Wochen war er weg, und schon zählte ich die Tage bis zu seiner Rückkehr. Zehn Monate schienen eine Ewigkeit. Aber wenn er dann nach Hause kam, würde er hierbleiben und nie mehr von mir fortgehen.
»Ich bin gut zu euch gewesen«, sagte ich zu den Mädchen. »Dafür hätte ich zumindest so etwas wie Treue erwartet. Was eine von euch getan hat, schadet dem Haus und damit allen, die hier arbeiten. Ist es das, was ihr wollt?«
Sie machten beschämte Gesichter und wollten mir nicht in die Augen sehen. Was konnte ich tun? Keinesfalls konnte ich alle entlassen, weil eine davon eine Verräterin war.
Ich dachte daran, Mr. Lee um Rat zu bitten, aber er hatte eigene Sorgen, die schwer auf ihm lasteten. Noch immer beugten sich seine Schultern unter den Geldsorgen seiner Familie, und er sah mit seinen dreißig Jahren wie sechzig aus. Ich bot ihm ein Darlehen an, aber er wollte es nicht nehmen. Und weil er sich solche Sorgen machte, konnte er sich nicht einmal mehr auf die wenigen Aufträge konzentrieren, die er noch bekam. Meine Etiketten entwarf und druckte jetzt ein Betrieb in Oakland, so daß auch ich keine Arbeit mehr für Mr. Lee hatte. Manchmal erzählte ich ihm, jemand sei in meine Fabrik gekommen und hätte sich nach dem Mann erkundigt, von dem meine Etiketten stammten, und gefragt, ob er wohl für einen Privatkunden ein größeres Bild malen würde. Dann blühte Mr. Lee für eine Weile auf, beschäftigte sich mit Tusche und Pinseln, verlor aber bald wieder die Lust. Er beschimpfte sich selbst als Versager, das Bild wurde nie vollendet, und ich mußte ihm versichern, daß der Kunde – der nur in meiner Phantasie existierte – Verständnis haben und warten würde, bis das Gemälde fertig sei.
Ich sah meine acht Mädchen an und entschied, daß ich im Augenblick nichts tun konnte. Bevor er abreiste, hatte Gideon mir das Versprechen abgenommen, nichts zu unternehmen, was die Aufmerksamkeit der Roter-Drache-Gesellschaft erregen konnte. Ich sollte meine Pläne zurückstellen, jeden, auch den kleinsten Erweiterungsversuch unterlassen und nicht mit neuen Arzneien experimentieren … mein Leben einfach vertagen, bis er zurück wäre. »Das nächste Mal könnte es deine Wohnung sein, die brennt«, hatte er gesagt, als über der Bucht der Morgen dämmerte und wir zum Auto zurückgingen. Er hatte nur noch drei Stunden gehabt, um zu packen und zum Hafen zu fahren.
Wieder hatte er mein Gesicht in seine Hände genommen und gefordert: »Versprich es mir, Liebste. Tu nichts. Keine Veränderungen, keine Einstellungen, keine Entlassungen. Ich traue diesem Roter-Drache-Bastard nicht. Laß ihn vorläufig glauben, er hätte dir Angst
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