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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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viel Geld verloren hatte und ihr Vermögen seither immer weiter geschrumpft war. Margos Vater war arbeitslos geworden und hatte angefangen zu trinken, während ihre Mutter, die auf dem College zur selben Schwesternschaft wie Olivia gehört hatte, gezwungen war, in einer Fabrik zu arbeiten, um die Familie zu ernähren. Um ihrer Freundin einen Gefallen zu tun, hatte Olivia Margo aus Pennsylvania kommen lassen und bei sich aufgenommen. Manchmal fragte ich mich, ob Margo die Tochter war, die Olivia nie bekommen hatte.
    Auch der dreizehnjährige Adrian hielt sich in der Bibliothek auf. Er lag auf dem Bauch und blätterte in einer Zeitschrift. Als Iris und ich hereinkamen, sah er auf und wechselte einen Blick mit Margo.
    Als Olivia in einem Ton, der deutlich verriet, daß ich sie bei wichtigen Dingen störte, fragte: »Was kann ich für Sie tun?«, sah ich Margo eine rasche Bewegung machen, bei der Adrian in Gekicher ausbrach: sie legte die Finger an die Schläfen und zog ihre Augen nach außen.
    »Ich wollte zu Mrs. Barclay«, erklärte ich, »zu Gideons Mutter.«
    »Fiona braucht Ruhe. Sie ist nicht gesund und kann niemanden empfangen.« Olivias Blick wanderte zu Iris und blieb kurz auf ihr haften. Obwohl meine Tochter als Chinesin durchgehen konnte, war der amerikanische Anteil in ihren Zügen unverkennbar. Ich fragte mich, ob Olivia nach Spuren von Gideon suchte, und wenn ja, ob sie sie fand.
    »Das Mädchen wird Sie hinausbringen«, schloß sie und wandte sich wieder ihren Vorhangmustern zu.
    Aber ich wußte von vor fünfzehn Jahren noch, wo Fionas Schlafräume lagen, darum nahm ich meine Tochter bei der Hand und führte sie aus der Bibliothek und die große Treppe hinauf.
    Hier oben war der viktorianische Einfluß ungebrochen. Als das Mädchen mich in Fionas Zimmer führte und ich sah, wie schwach Gideons Mutter war, begriff ich, wie Olivia ihre Veränderungen hatte durchsetzen können: Fiona Barclay kam nicht mehr nach unten. Sie wußte gar nicht, was ihre Schwiegertochter tat. Sie wußte nicht, daß Olivia nach und nach ihre Möbel aus dem Haus schaffte und mit ihnen Fionas Geist.
    Fiona Barclay saß in einem Sessel am Fenster und sah auf die Bucht hinaus. Sie war sechzig Jahre alt, wirkte aber wie achtzig.
    »Guten Tag, Mrs. Barclay«, sagte ich und überlegte, ob das lebenslange Ungleichgewicht in ihren Lungen jetzt seinen endgültigen Tribut forderte.
    Sie drehte sich um. »Sie! Gehen Sie weg.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Mrs. Barclay. Ich muß wissen, wo Gideon stationiert ist.«
    »Wenn Sie denken, ich würde Ihnen helfen, irren Sie sich.«
    »Warum verachten Sie mich so?«
    »Weil Sie sich zwischen mich und meinen Sohn gedrängt haben.«
    »Ich habe ihn nicht geheiratet.«
    »Das Unglück ist trotzdem geschehen. Als er vor vierzehn Jahren aus Panama nach Hause zurückkehrte, am Tag Ihrer Trauung, hat er mir furchtbare Dinge an den Kopf geworfen. Er beschuldigte mich, Sie gegen ihn eingenommen zu haben. Seitdem sind mein Sohn und ich wie Fremde.«
    Jetzt hätte ich den Brief meines Vaters herausholen und ihr zeigen sollen. Aber ich hatte schon die bläuliche Färbung ihrer Lippen und Fingernägel bemerkt und wußte, daß ihr Herz versagte und sie nicht mehr lange leben würde. Also ließ ich den Brief in der Handtasche und entschloß mich, Gideons Aufenthaltsort auf andere Weise herauszufinden. Mr. Winterborn würde mir helfen müssen.
    Ich wollte gerade gehen, als mir auffiel, wie sie Iris ansah. »Was fehlt dem Kind?« fragte sie. »Ist es geistig zurückgeblieben?«
    Bevor ich antworten konnte, zog sie sich vom Sessel hoch und bewegte sich mühsam und mit Hilfe eines Krückstocks zu einem reichverzierten Wandschrank aus schwerem, dunklem Holz. Sie öffnete die Glastür und nahm ein kleines, viereckiges Holzkästchen heraus, das mit Einlegearbeiten verziert war. Ich hörte, wie es klapperte, als sie damit auf Iris zuging.
    Zu meiner Überraschung versuchte sie, es meiner Tochter zu geben. Natürlich sah Iris es nicht, oder wenn sie es tat, wußte sie nicht, daß sie es nehmen sollte.
    Mrs. Barclay schüttelte das Kästchen vor Iris’ Gesicht, bis sie ihre kurzfristige Aufmerksamkeit hatte. Dann tat sie etwas Seltsames. Sie hielt das Kästchen hoch, damit Iris es sehen konnte, dicht vor ihre unruhigen Augen, und bewegte eine der Seiten.
    Ich erkannte, was es war: ein Rätselkästchen. Es war eine japanische Erfindung, die in ganz Chinatown verkauft wurde. Ich hatte mich noch nie daran versucht.
    Gerade

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