Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
japanische Waren zu boykottieren. Und dann warf mir jemand das Wohnzimmerfenster ein und hatte ein Papier um den Stein gewickelt, auf dem stand »Dreckige Japaner«.
Ich wußte, es würde nicht leicht sein, eine Wohnung für mich und meine Tochter zu finden.
An dem Abend, als er sich freiwillig gemeldet hatte, sagte Gideon zu mir: »Ich weiß nicht, wohin sie mich schicken werden, aber bei meiner Tätigkeit – Brücken- und Straßenbau – ist es auf jeden Fall geheim. Trotzdem, wenn ich dort bin, wird die Armee meine Frau und meine Mutter informieren. Wenn du mich also brauchst, Harmonie, geh zu ihnen, und sie werden dir sagen, wo man mich erreichen kann.«
Ich wußte, daß ich nicht zu Olivia gehen konnte. Sie würde mir bestimmt nicht erzählen, wo Gideon stationiert war. Auch bei Fiona vermutete ich, daß sie mir nicht helfen würde. Aber ich mußte an Iris denken. Sie war jetzt dreizehn und brauchte ständige Aufsicht. Sie war zu einem wunderschönen Mädchen herangewachsen, das auf Schritt und Tritt die Blicke der Männer und Jungen auf sich zog. Iris wußte nichts von Gefahren und nichts von Männern. Nach wie vor war sie in ihrem Gefängnis eingeschlossen. Sie lernte niemals zu sprechen. Sie lebte in einer eigenen Welt.
»Hast du je daran gedacht, sie in ein Heim zu geben?« hatte Gideon mich einmal gefragt, als wir zusammen die Bücher von Harmonie-Barclay Ltd. durchgingen. Aber ich hörte an seiner Stimme, daß er es nicht ernst meinte. Er liebte Iris genauso wie ich und hätte es nicht ertragen, sie eingesperrt zu sehen. Doch auch er machte sich Sorgen, als er sah, wie sie allmählich zur jungen Frau wurde. Er wußte, wie die Männer sie anschauen und wie sie versuchen würden, sie auszunutzen.
Ich nahm Iris mit, wohin ich auch ging. In der Fabrik in Daly City kannte sie jeder, und die Arbeiterinnen verwöhnten sie und schenkten ihr Süßigkeiten. Wenn ich zu den Naturläden, Drogisten und Höfen in der Umgebung fuhr, bei denen ich bestimmte Kräuter einkaufte, begleitete sie mich. Sie ging mit mir ins Kino, obwohl wir gewöhnlich mitten im Film aufstanden und den Saal verließen, weil sie nicht stillhalten konnte. Abends hörten wir zusammen Radio, und obwohl ich wußte, daß sie es nicht verstand, lachte sie über Jack Benny und über Amos und Andy.
Ich brauchte ein sicheres, dauerhaftes Zuhause für meine Tochter.
Ich besaß noch immer den Brief meines Vaters, in dem er meiner Mutter mitteilte, er fahre nach Amerika zurück, um sich scheiden zu lassen. Es tat mir leid, Mrs. Barclay diese Stelle zeigen zu müssen, aber um ihr zu beweisen, daß Iris tatsächlich die Enkelin ihres Mannes war, mußte sie den ganzen Brief lesen. Wenn sie schon mir nicht helfen wollte, würde sie doch bestimmt etwas für Richards Enkelin tun.
Wieder einmal stand ich zwischen den prachtvollen Säulen, aber diesmal war ich selbstsicherer als damals mit neunzehn, als ich hergekommen war, um den Namen meines Vaters zu fordern. Außerdem ging es jetzt um meine Tochter.
»Ich möchte bitte Mrs. Barclay sprechen«, sagte ich dem Hausmädchen, das die Tür öffnete.
Sie führte mich durch die eindrucksvolle Diele, an die ich mich auch aus der Zeit von vor sechs Jahren erinnerte, als ich anläßlich meines Kampfes mit dem Roten Drachen das Haus zuletzt betreten hatte. Aber die Inneneinrichtung hatte sich verändert. Verschwunden waren die schweren viktorianischen Möbel und die Blumentapeten. Jetzt war Luft hier und Licht.
Ich wurde nach unten in die Bibliothek geführt. Die Sofas mit den Quasten und die geschäftig wirkenden Schreibtische waren fort. Der Raum war mit Aluminiummöbeln und neuen Kunststofftischen sparsam ausgestattet. Das einzige, was unordentlich wirkte, waren die an die blaßgelbe Tapete gehefteten Blaupausen, die zeigten, wo Wände entfernt oder eingefügt werden sollten und wie der Grundriß dann aussehen würde. Große Bücher mit Stoffproben und Stapel von Teppich- und Vorhangmustern lagen herum, und als ich eintrat, hielt Olivia gerade ein Stück blaßrosa Satin hoch und fragte: »Was hältst du davon, Margo, Liebes?«
Sie hätten Mutter und Tochter sein können. Margo, dreizehn, war hochgewachsen und gertenschlank. Ihr Haar war ebenso hellblond wie Olivias und im gleichen Pagenschnitt frisiert. Beide trugen wadenlange, gerade Röcke und Pullover, und beide drehten sich um und starrten mich aus runden, blauen Augen an.
Ich wußte, daß Margos Familie bei dem großen Zusammenbruch von 1929 sehr
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