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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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darauf, daß Kräuter nur an günstigen Tagen verarbeitet wurden? Das Laboratorium, das ich besichtigte, produzierte seine Mischungen jeden Tag, ohne sich vorher bei einem Wahrsager zu vergewissern, ob dieser Tag auch Glück verhieß. Die westlichen Wissenschaftler vermischten Glück mit Unglück, sie ließen Wasser in Abflüsse laufen, so daß ihre Gewinne versiegten. Ihre Wände waren weiß und das Licht zu hell, es gab viel zu viel Yang und somit kein Gleichgewicht.
    Nein, ich wollte nicht modernisieren. Nicht einmal für meinen geliebten Gideon.
    Gemeinsam mit Mrs. Fong inspizierte ich die Fässer und stellte fest, daß man zwischen zwei Arbeitsschritten das Rezept nicht genau eingehalten hatte. Ich fand Frauen, die am Arbeitsplatz rauchten, obwohl es verboten war. Außerdem aßen sie dort, so daß Frühlingsrollen und Bohnensprossen neben Wonne und Goldlotuswein lagen.
    Mrs. Fong hatte recht. Den Arbeitern war alles egal.
    Wir traten auf den vergleichsweise ruhigen Hof, wo den ganzen Tag über Lastwagen ein- und ausfuhren, die frische Kräuter brachten und die fertigen Heilmittel abtransportierten.
    »Was tun wir jetzt?« Mrs. Fong war sichtlich erregt. Als treue Mitarbeiterin fühlte sie sich für die Schlampigkeit der Arbeiter persönlich verantwortlich.
    »Wir werden wohl weiteres Aufsichtspersonal einstellen müssen«, sagte ich, war mir aber nicht sicher, ob das helfen würde. Wenn hundert Arbeiterinnen und Arbeiter aus Unachtsamkeit Fehler machten, würde ich auch hundert Inspektoren brauchen, um jeden einzelnen zu beaufsichtigen.
    »Bestrafen Sie die Unachtsamen«, riet Mrs. Fong.
    Das hätte bedeutet, hundert Leute hinauszuwerfen.
    »Lassen Sie sie sich gegenseitig überwachen«, empfahl Mrs. Fong.
    Dann hätte ich hundert Spitzel gehabt.
    Mir fiel keine Lösung ein.
    »Darf ich einen Vorschlag machen?«
    Mrs. Fong fuhr herum. »Wer sind Sie? Wie sind Sie hier hereingekommen?«
    Hinter uns stand ein junger Chinese.
    »Ich könnte Ihnen vielleicht helfen«, sagte er so leise, daß wir ihn kaum hören konnten, und kam dann näher, den Hut in der Hand. Im hellen Sonnenschein erkannte ich zweierlei: erstens, daß seine Kleidung sauber, aber schäbig war, und zweitens, daß er hinkte.
    Irgendwie kam er mir bekannt vor.
    »Machen Sie, daß Sie wegkommen«, schimpfte Mrs. Fong. »Sonst hole ich die Wachmänner.« Mrs. Fong hatte schon für mich gearbeitet, als wir noch hinter Mr. Huangs Lagerhaus in der Grant Street waren.
    »Wie könnten Sie uns helfen?« fragte ich den jungen Mann, den ich auf Anfang Zwanzig schätzte.
    »Bieten Sie den Mitarbeitern Ihre Produkte für den persönlichen Gebrauch und den ihrer Familien umsonst an.«
    »Was!« schrie Mrs. Fong. »Sind Sie verrückt? Sollen wir diese Schlamperei auch noch belohnen?«
    »Die Produkte«, fuhr er fort, »werden auf Anfrage von einer zentralen Stelle ausgegeben. Wenn die Mitarbeiter ihre Gratiszuteilung abholen, können sie nicht wissen, aus welcher Abteilung sie stammt, ob sie selbst daran gearbeitet haben oder nicht.«
    Mrs. Fong sog an ihrer Unterlippe und brummte. »Hm.«
    »Vielleicht sind Ihrem Personal fremde Leute gleichgültig«, fügte der junge Mann hinzu, »aber bestimmt sind sie sich selbst und ihre Familien nicht egal.«
    Ich wußte, warum er gekommen war. »Suchen Sie Arbeit?« fragte ich.
    »Niemand will Chinesen einstellen. Nicht einmal Chinesen mit einem Juradiplom der Stanford-Universität«, entgegenete er bescheiden. »Ich erinnerte mich an Sie und dachte, Sie würden mir vielleicht helfen.«
    »Warum hinken Sie?« wollte Mrs. Fong wissen.
    »Ich bin verwundet worden. Ich habe meine Entlassungspapiere aus der Armee.«
    » Aii-yah !« rief sie, und ich merkte, wie ihre mütterlichen Instinkte in Wallung gerieten.
    Und dann fiel mir sein Gesicht wieder ein, damals aus den langen Tagen des Prozesses, als er stumm hinter seinem Vater, dem Drachen, gesessen hatte. Ich wußte sogar noch, daß er einen ungewöhnlichen Vornamen hatte, Woodrow, nach einem Präsidenten der Vereinigten Staaten. »Ich hätte nie gedacht, daß Sie für mich arbeiten wollen«, meinte ich vorsichtig.
    Der junge Mann sah mich an und sagte etwas, das mir große Hochachtung einflößte, weil ich wußte, wie schwer es einem chinesischen Sohn fallen mußte, so über seinen Vater zu sprechen.
    »Was mein Vater getan hat, war unrecht. Er hat unsere Familie entehrt. Ich bin sein einziger Sohn. Es ist meine Aufgabe, diese Ehre wiederherzustellen.«
    Ich

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