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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Krieges über uns zusammenzogen, begann ich, große Reserven an importierten Rohstoffen anzuhäufen, so daß, als der japanische Angriff auf Pearl Harbor allen Handelslieferungen ein jähes Ende setzte, meine Lagerhäuser voll waren. Die Produktion meiner Fabrik war nie so hoch gewesen.
    Aber trotz des Fließbandes und der neuen Kupferfässer wurde noch immer jeder Schritt bei der Herstellung von Hand ausgeführt. Ein Krug mit Balsam, wie Mrs. Fong ihn mir gebracht hatte, durchlief mehr als ein Dutzend Hände, ehe er verkaufsfertig war. An welcher Stelle wurde es verdorben?
    Die Mischungen wurden in riesigen Fässern angesetzt und dann in Krüge abgefüllt, wo sie abkühlen und fest werden konnten. Die Krüge kamen auf lange Werkbänke. Dort schraubte zuerst eine Gruppe von Frauen die Deckel auf, anschließend versah eine zweite Gruppe die Krüge mit Etiketten. Beim nächsten Schritt wurde jedem Krug ein Prospekt mit Warnungen und der Gebrauchsanleitung hinzugefügt und dann beides zusammen in farbenprächtiges, blausilbernes Weidenpapier gewickelt. Ein Siegel, das an eine Briefmarke erinnerte und Datum und Partienummer der Mischung angab, sicherte die Endverpackung.
    Und all diese Arbeitsschritte nur für diesen einen Krug Mei-ling-Balsam. Die Vollkommene-Harmonie-Gesellschaft produzierte aber auch Tabletten, Breipackungen, Tees, Heiltränke, Salben, Stärkungsmittel, Puder, Duftöle und Gesundheitsgewürze zum Kochen. Wie konnte ich da jeden einzelnen Herstellungsschritt überwachen?
    Ich trank meinen Tee und genoß den beruhigenden Geschmack. Gab es denn nur noch Unglück auf der Welt? War kein Glück mehr übrig?
    Doch, es gab noch Glück. Im Spiegelbild der Fensterscheibe sah ich meine Tochter, die still in einer Ecke des Büros saß und an einem neuen Rätselkästchen arbeitete. Ich würde nie vergessen, wie sie damals, als sie Mrs. Barclays Kästchen geöffnet hatte, den Kopf stillhielt, wie ruhig sie gewirkt hatte, als sie zum ersten Mal im Leben ihre Augen für längere Zeit auf denselben Gegenstand konzentriert hatte. Danach hatte ich ihr weitere Kästchen gekauft, so viele ich nur finden konnte, was nicht einfach war, denn sie kamen aus Japan und wurden allmählich rar. Sie schienen Iris so zu beglücken, so als habe ihr Geist damit Ruhe gefunden, so als fügten sich seine auseinanderstrebenden Kräfte endlich harmonisch zusammen.
    Iris war für alle ein Wunder. Ich selbst bekam das einfachste Kästchen, das nur acht Züge hatte, nicht auf. Mr. Winkler, unser Buchhalter, der stolz auf seinen scharfen Verstand war, brauchte einen ganzen Tag, bis er endlich herausbekam, was Iris in Minuten schaffte. Ich war mit ihr bei einem weiteren Spezialisten gewesen, der mir bestätigte, daß es irgendwo im Gehirn meiner Tochter etwas gab, was vielleicht ein glänzender Verstand war, daß aber ein unbekanntes Hindernis, das man vielleicht nie finden würde, es ihr unmöglich machte, diesen Verstand zu nutzen.
    Ich stellte die Teetasse ab und blickte endlich wieder Mrs. Fong an. »Schauen wir nach.«
    Ich ließ Iris in der Obhut meiner Sekretärin, einer tüchtigen Frau mittleren Alters, die selbst erwachsene Kinder hatte und sehr an meiner Tochter hing, und begleitete Mrs. Fong in das große, scheunenartige Gebäude, in dem Strahlende Intelligenz hergestellt wurde. Kaum waren wir eingetreten, drang uns auch schon der tosende Lärm in die Ohren, der auf einer Seite des riesigen Raumes begann, wo Arbeiter geräuschvoll den flüssigen Balsam aus Stahlkesseln in Krüge füllten, und der in der Mitte der Halle, wo Frauen in Reihen an Werkbänken saßen, lachten und schwatzten und dabei mit flinken Fingern die Krüge sortierten, anordneten und verschlossen, unvermindert anhielt. Ihre Stimmen mischten sich mit dem Klirren der Glaskrüge. Tausende von Krügen wurden hier zugeschraubt und etikettiert, während andere Arbeiter zwischen den Bänken hin und her huschten, wegnahmen und hinstellten und sich dabei etwas zuriefen. Die Luft war erfüllt vom Geruch des aus Reismehl angerührten Kleisters, dem Zigarettenrauch der Frauen, die in der Ecke eine Pause machten, und dem durchdringenden Aroma von Tee und gedämpften Nudeln.
    Gideon hatte meine Fabrik einmal im Scherz als Irrenhaus bezeichnet und versucht, mich zu einer »Verwestlichung« zu überreden. Also sah ich mir eine moderne westliche Arzneimittelfabrik an und war entsetzt. Wo war das feng shui ? Wo der Weihrauch und die Gebete zu den richtigen Geistern? Wer achtete

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