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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gesteckt hatte.
    Und dann erkannte sie die Erwartung in seinen Augen, als hätte er Fragen und wollte, daß sie es war, die damit anfing. Aber sie wußte nicht wie.
    »Sei vorsichtig«, sagte er endlich und wandte sich ab, damit sie gehen konnte, bevor der Augenblick voll stummer Fragen zu lang wurde.
    »Ich werde pünktlich zur Stelle sein – für die kleine Überraschung unseres E-Mailers«, versprach sie sanft und verschwand.
    Als er die Außentür zufallen hörte, stand Jonathan vom Schreibtisch auf und ging zum Überwachungsmonitor. Er drückte auf einen Knopf an der Schalttafel, und der überdachte Weg zum Hauptgebäude wurde sichtbar. Zuerst sah er nur den stetig strömenden Regen, dann tauchte rechts im Bild eine Gestalt auf – Charlotte, die durch den Regen rannte. Mit dem langen, schwarzen Haar, das flach zwischen ihren Schultern hing, sah sie von hinten fast wie ein Teenager aus.
    »Ich könnte schwören, daß meine Großmutter mich nicht mag«, erklärte Charlotte mit ihrer hohen Singsangstimme, mit der sie, ohne es zu wissen, den Tonfall ihrer Großmutter nachahmte. Die sechzehnjährige Charlotte gab sich große Mühe, Amerikanerin zu sein, aber der chinesische Einfluß ihrer Großmutter war stark. »Als ich klein war, wollte sie immer, daß ich Alpträume bekam. Zum Beispiel mit ihrer Geschichte vom unartigen kleinen Mädchen, das so fest mit dem Fuß aufstampfte, daß sich die Erde auftat und es hineinfiel, worauf sich die Erde wieder schloß. Ich hatte deswegen noch jahrelang Alpträume.«
    »Sie wollte nur, daß du ein braves Mädchen bist«, hatte Jonathan ihr geantwortet und sich darauf konzentriert, ein Teil auf die Leiterplatte zu löten, die er auf dem Schoß hielt. Er hockte im Schneidersitz am Boden, umringt von allerlei elektronischem Krimskrams und verstreuten Exemplaren der Zeitschrift Popular Electronics, während Charlotte in Leggings und einem übergroßen Greenpeace-Sweatshirt auf seinem Bett saß, die Knie an die Brust gezogen, die Arme um die Beine geschlungen. Als er sie damals mit dreizehn zum ersten Mal in sein Zimmer mitgenommen hatte, dachte er sich nichts dabei, wenn sie dort saß. Jetzt, mit sechzehn, konnte er an nichts anderes mehr denken. Die Konzentration auf sein neues Projekt war nur vorgetäuscht. Sein ganzer Kopf war voll von Charlotte auf seinem Bett und davon, wie schön es war, sie zu küssen, und er fragte sich, ob er je den Mut aufbringen würde, einen Schritt weiterzugehen.
    »Meine Großmutter hat immer erzählt, ich wäre eigentlich gar kein kleines Mädchen gewesen, sondern eine Ente, die gerupft und gebraten im Ah Fongs Markt auf der Stockton Street hing. Aber ich war so wertlos, daß niemand mich kaufen wollte, darum tauschte sie mich gegen eine Wassermelone ein und zog mich als Menschen auf. Das hat sie wirklich gesagt, Johnny. Sie hält mich für wertlos.«
    Er griff nach der Mikrozange, den Blick auf die empfindliche Arbeit geheftet. »Sie hält dich für kostbarer als ihr eigenes Leben. Sie will nicht, daß man dich ihr wegnimmt.«
    Charlotte lächelte schief. »Woher weißt du das?«
    »Weil chinesische Großmütter kein Monopol auf Methoden zur Abwehr böser Geister haben, kapiert?«
    Sie musterte das Gebilde in seinen Händen. »Was baust du da eigentlich?«
    »Einen Computer.«
    »Und was computet er?«
    »Verschiedene Methoden«, antwortete er völlig ernsthaft, »um böse Geister fernzuhalten.«
    Er hatte ihr nicht sagen können, wie sehr er sie darum beneidete, eine Großmutter zu besitzen, die sie so sehr liebte, daß sie den bösen Blick von ihr abhielt. Seine eigene Oma in Schottland hatte das gleiche getan und ihm erzählt, sie hätte ihn gegen einen Kohlkopf von einem durchreisenden Zigeuner eingetauscht. Auf diese Weise teilte sie den Feen mit, daß es sich nicht lohne, ihn zu stehlen.
    Aber er war nicht mehr in Schottland, sondern in Amerika, und sein Vater schien keine Ahnung vom bösen Blick oder von Feen zu haben. Anscheinend wußte er auch nichts von Liebe oder darüber, wie man seinem Sohn ein Vater ist. Jonathan warf ihm das eigentlich nicht vor. Schließlich gab der Mann sich Mühe – Jonathan hatte alles, was er wollte und brauchte, das bewies sein Zimmer.
    Als die ersten tragbaren Rechner auf dem Markt auftauchten – für die meisten Leute viel zu teuer –, hatte der vierzehnjährige Johnny gleich ein paar davon zum Spielen bekommen.
    »Eines Tages, Charlie«, sagte er und warf das lange Haar zurück, »wird jeder Haushalt

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