Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
das zweite Opfer ist eine Frau. Woran könnte das liegen?«
»Wir haben herausgefunden, daß Yang in kleinen Dosen Frauen manchmal gegen Haarausfall hilft.«
»Und wenn eine Frau nun, sagen wir, eine Überdosis nimmt? Könnte ihr das schaden?«
»Nein.«
Er überlegte. »Aber dieser Balsam. Finden Sie das nicht merkwürdig?«
»Was meinen Sie?«
»Nun ja – Wonne und das Yang -Tonikum sind Mittel zum Einnehmen. Der Balsam wird äußerlich angewendet.«
Dieser Gedanke war Charlotte auch schon gekommen. Es war in der Tat sonderbar, daß man einen Balsam vergiftete. Daß jemand Produkte zum Einnehmen veränderte – ein Tonikum oder Teezusätze –, leuchtete ein, weil das Ergebnis garantiert war. Aber Ephedrin in ein lokal wirkendes Mittel zu mischen, brachte normalerweise kein Ergebnis, es sei denn, das Produkt würde auf eine offene Wunde aufgetragen. Dann aber mußte es in den Blutkreislauf eintreten und Gegenreaktionen hervorrufen. »Die Frau hat den Balsam benutzt, um Geschwüre an den Beinen zu heilen«, murmelte Charlotte nachdenklich. »Agent Knight … hätte sie das Ziel dieser Angriffe sein können?« Sie suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, daß er mit ihr spielte. Aber falls er den Verdacht hegte, es sei dem Attentäter um die Fernsehreporterin gegangen, und er Charlottes Verbindung zu ihr kannte, verbarg er es gut.
»Diese Möglichkeit wird bereits untersucht. Aber wenn sie es gewesen wäre, müßte doch trotzdem ein Zusammenhang zu den beiden anderen Frauen bestehen, oder nicht?«
Bestand dieser Zusammenhang? Es überlief Charlotte eiskalt. Und waren sie alle drei auch mit ihr verbunden? »Sie glauben also, das Ziel der Person, die die Produkte verfälscht hat, sei mein Unternehmen und diese Frauen seien nur zufällige Opfer?« fragte sie so ruhig sie konnte.
»Ihr Unternehmen – oder Sie selbst.«
Sie hielt den Bericht hoch. »Darf ich das hier behalten?«
»Natürlich. Vielleicht können Sie bei Gelegenheit noch einmal hineinschauen und sich etwas dazu einfallen lassen.«
»Danke.« Sie wollte gehen.
Knight setzte sich wieder hin, breitete die Serviette über seinen Schenkel und griff nach dem Käsesandwich. Bevor er hineinbiß, fragte er noch: »Ach – wo finde ich Sie übrigens, wenn ich Sie brauche?«
Charlotte warf ihm einen Blick zu. »Ich gehe in die Kantine, Agent Knight. Wenn Sie mich brauchen, bin ich leicht zu finden.«
Er schenkte ihr ein glattes Lächeln. »Das hätte ich mir denken können.«
Charlotte blieb wieder stehen. Zorn stieg in ihr auf. »Agent Knight … würden Sie mir bitte noch den Namen Ihres Vorgesetzten geben?«
»Darf ich fragen, warum?«
»Weil ich glaube, daß Sie meinem Unternehmen gegenüber voreingenommen sind. Ich bin nicht davon überzeugt, daß Sie im öffentlichen Interesse handeln, sondern denke, daß Sie private Gründe haben.«
Seine Miene verfinsterte sich. »Damit, Mrs. Lee, haben Sie vollständig recht. Ich habe persönliche Gründe, und es ist mein Ziel, mich selbst und die Menschheit vor Quacksalberfirmen wie die Ihre zu schützen.«
Charlotte wurde ein wenig milder. »Agent Knight, ich weiß von Ihrem Sohn, und es tut mir leid …«
Er hob die große, schaufelartige Hand. »Mein Sohn ist bei Gott. Bitte reden Sie nicht hier von ihm.«
Sie wollte etwas sagen, nickte dann aber nur und entfernte sich.
Mein Sohn! dachte Knight und sah ihr nach, wie sie im Korridor verschwand. Was wissen Sie schon von meinem Sohn? hätte er am liebsten geschrien. Was wissen Sie von Ärzten, die einem sagen, sie könnten nichts tun, es sei eine seltene Krebsart, die da in einem sechsjährigen Kind so einfach heranwächst?
Er schloß die Augen und rang mit den Erinnerungen, die ihn Tag und Nacht verfolgten: die langen Fahrten nach Mexiko und die Klinik dort, das Beschaffen von »Wunderkuren« aus Schweden, Taiwan und Peking, die Abwendung von Gott, statt dessen das Anbeten der Natur.
Naturheilmittel! Ihre verzweifelte Suche nach einer Möglichkeit der Heilung hatte eine gottesfürchtige Christin in eine Pflanzen vergötternde Heidin verwandelt. Falsche Hoffnung war schlimmer als gar keine, weil sie die Seele des wahren Glaubens beraubte und dazu führte, daß man sich von Gott, dem Herrn, abwandte.
In der Nacht, als der Junge schließlich starb, hatte Valerius den kleinen Körper nicht aus den Armen seiner Frau lösen können, und so war er statt dessen durch ihr Haus in Santa Monica gestampft und hatte alle jene Flaschen,
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