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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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Fremden, der nicht zu den Söhnen der Stadt sich zählt, und nachdem sie aufmerksam gelauscht, fragte mich Amina, wer dieser Fremdling sei, nach dem Laila sich verzehrt, ob es ebenjener Mann sei, der auf meinen vielen neuen Zeichnungen zu sehen, worauf ich stotternd errötete und mein Geheimnis nicht länger vor ihr zu verbergen vermochte und von ihr verlangte: «Schwörstdu, keiner Menschenseele davon zu verraten, vor allem nicht meiner Mutter?» Amina antwortete: «Ich schwöre bei meiner Rechten, meiner Zunge und meinem Leben», worauf ich ihr eröffnete: «Amina, aller Grund meiner Glückseligkeit ist ein gutherziger Mann, der mein Freund und Gefährte zu sein wünscht, wie ein großer Bruder», und sie fragte mich, wer dieser Mann sei, und ich berichtete ihr, ich sei ihm vor drei Tagen in den Gassen von Jaffa begegnet, wo er mich mit einem Lächeln bedacht, wie noch kein Mensch je zuvor mich angelächelt, um meine Freundschaft er mich ersucht und mir versprochen habe, mich alsbald wieder zu besuchen, doch Amina zeigte sich höchst verwundert ob meiner absonderlichen Visionen und verlangte, ich solle ihr sein Aussehen und seine Sprache beschreiben, und nachdem sie dies gehört und erfahren, dass in Gesellschaft der beiden Kuppler Salim und Salam er sich aufhalte, verkündete sie, der Mann sei nichts weiter als ein Kuppler und Makler jüdischen Glaubens, ein Abkömmling jenes sonderbaren Volkes, das sich wie Läuse und Wanzen an jedem Ort und in jedem Winkel vermehrt und ohne Ehre und Anstand in Lumpen gehüllt einhergeht, triefäugig und immerzu mit endlosem, ewigem Gebet beschäftigt, wozu es unter ihnen auch manche gebe, die gegen Wucherzinsen Geld verliehen und dergestalt guten Menschen das Blut aussaugten, und auch nach Jaffa seien in Scharen sie schon eingefallen, um die Bewohner der Stadt auszupressen, ihren schlechten Tugenden getreulich.
    Ich sagte Amina, auch wenn die Juden schlecht sind, mein groß gewachsener Freund hat nur Gutes im Sinn, stärker und schöner ist er als die ansehnlichsten Männer unseres Volkes und all sein Gebaren untadelig, und ich erzählte ihr, wie er an dem Tage, an dem wir einander begegnet, mich habe umarmen wollen, inniglich und liebevoll, aber in ebenjenem Augenblick habemich der Doktor zurück in seine Räume gerufen und mir bittere, widerliche Medizin verabreicht, doch der Jude, so er denn tatsächlich ein Jude sei, sei entschwunden, habe seine Flügel ausgebreitet und sich in die Lüfte gen Himmel aufgeschwungen, was sogleich in Amina den Verdacht weckte, all dies sei nur eine weitere Geschichte, zusammengerührt und gesponnen in meiner Phantasie, doch ich sagte, nein, es ist keine Geschichte, sondern die reine Wahrheit, worauf Amina die Hände an ihrer Schürze abwischte, ihre Finger gegen mich schwang und mir befahl, ich solle mir diesen Mann aus dem Kopf schlagen, diesen Fremdling, und ich ihr mit unhörbarer Stimme zuflüsterte, dieser Mann wird meine Heilung sein, und nachdem sie gegangen war, blieb ich allein in meinem Zimmer zurück, die Gestalt des fremden Mannes zu zeichnen, Geschichten über ihn zu ersinnen und Verse auf ihn zu dichten, denn mit meiner Feder folge ich den Linien seines Antlitzes, singe in meinem Kopf die herrlichen Worte, die er in den Straßen Jaffas zu mir gesprochen, meine, seine Flügel über das ganze Himmelszelt ausgebreitet zu sehen, und in meinem Herzen sage ich mir, sollte ich ihn niemals wiedersehen, werde ich zu dem Dschinn gehen und mich in seine feuchten Arme versenken.

28. September 1895, Neve Shalom, zwei Stunden später
    Der hohe Feiertag klang aus, da erschienen Salim und Salam wie ein Mann, um mir ihre Aufwartung zu machen, doch nicht aus dem Grunde etwa, dass sie an dem Festmahl zum Brechen des Fastens hätten teilhaben wollen, sondern weil sie ein Billett erhalten, das an mich adressiert, doch ehe sie dieses mir aushändigten,verlangten sie ihr Bakschisch, und ich gab ihnen ein paar
Bishliks
, die sich mir zufällig in den Taschen der gnädigen Frau fanden. Im Folgenden, mithin, der Inhalt des nämlichen Billetts, das ich Wort für Wort, nach erfolgter Übersetzung aus dem Französischen, in mein Tagebuch übertrage:

    Verehrtester,
    wir sind
le Monsieur
vor ein paar Tagen akzidentiell auf dem Markt der Geldwechsler begegnet. Mein kleiner Junge ist sehr krank und fragt nach Ihnen, bittet, Sie auf unserem Landgut sehen zu dürfen. Bitte lassen Sie mich wissen, ob sie uns am morgigen Abend werden beehren können.
    Madame

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