Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
Vom Netzwerk:
die Frauen, rollten mit den Augen und wiesen in verschiedene, widerstreitende Richtungen, und ich drängte zurück die Anwandlungen der Angst, welche die Seele irr werden lassen, das quälende Brennen, das in meinem Bauch wütete, und verlangte, mit den Männern zu sprechen, in einfacher und trockener Sprache zu verstehen, was sich zugetragen hatte, worauf sie mich zu einem Greis brachten, ihrem Ältesten, der auf unserem Gut gelebt seit dem Tage seiner Geburt, doch nun gewahrte ich, da vor ihm Platz ich nahm, dass seine Augen wässrig vorFurcht und seine Hände zitterten, als er sagte: «Du bist noch ein Kind, und wenn deine Mutter hört von unserem Treffen, wird sehr erbost sie sein, doch wisse, dass solche Dinge, wie sie unseren Seelenfrieden stören, auf diesem Gute sich noch niemals zugetragen haben.»
    Er befahl, die jammernden Frauen fortzuschaffen und die heulenden Kinder zu beruhigen, und als ich fragte: «Was ist es, das geschehen?», und meine kleine Seele, die Seele eines Kindes, noch kleiner ward im Angesicht dieser Riesenhürden, die sich auf Schritt und Tritt vor mir erhoben, sagte der Alte mit brüchiger Stimme: «Ein kleiner Junge von uns ist vor einigen Tagen inmitten der Obstplantage unter den dunklen Bäumen einem wandelnden Geist begegnet, und dieser bleiche, leblose Geist hat mit Fanfarenstimme ihm prophezeit, dass unser Schicksal besiegelt und alle Pachtbauern von dem Gut in den Norden des Landes vertrieben werden, um niemals wieder hierher zurückzukehren, und der Geist hat einen langen, schweigenden Tross ihm beschrieben, denn diese Erde wird ausspeien uns, ohne dass wir etwas Unrechtes getan, und unsere Hütten aus Stroh und Spreu, Lehm und Mörtel werden allesamt aufgehen in Flammen.»
    Der Alte setzte hinzu, der Knabe liege seither vom Fieber geschüttelt danieder, doch auch andere Kinder, eine Frau und ein Mann seien hernach dem Geist begegnet, und sie alle seien von panischer Furcht ergriffen und bettlägerig, ja ihre ganze Gemeinschaft sei verängstigt und verstört, da der Geist eines Toten unter den Bäumen und ihrem Geäst einhergehe, es aber nicht der Gepflogenheit der Toten entspreche, aus ihren Gräbern sich zu erheben, die Bewohner der kommenden Welt für gewöhnlich nicht die auf dieser nichtigen Welt Lebenden aufsuchten. «Wir alle sind», schloss der Alte, ‹ratlos und fürchten das Schlimmste, da der Geist erzürnt ist ob eines Mordes, von dem aber wir nichts wissen.»
    Nun aber kamen die Frauen in den Raum gestürzt, jammernd und wehklagend, und riefen mit tränenerstickter Stimme: «Die Erde hat unser verflucht und will ausspeien uns, schon bald werden wir nicht mehr sitzen hier, werden nicht länger Söhne und Töchter dieses Landes sein, werden es nicht bestellen mehr, seine Schollen und Furchen», doch zerstreut sagte ich: «Bringt zurück mich zu meinem Haus, warum habt heut Nacht ihr mich gerufen?» Worauf der Alte erwiderte: «Der fiebernde Knabe, der erste, der den Geist gesehen, bittet dich zu sehen, ruft keuchend immer wieder deinen Namen, Salach, Salach, wärest also einverstanden du, ihn zu sehen?» «Das wäre ich», sagte ich, und sogleich befiel starke Reue mich, doch der Schwarm der Weiber umringte und führte mich dem Greis nach, sodass vor Angst zitternd und bebend ich zu einer der Hütten ging, wo der kranke Junge, der nicht älter als fünf Jahre sein mochte, fiebernd auf seinem Lager lag, und als er mich sah, füllten seine Augen sich mit Blut, wies er seiner Mutter und seinem Vater, den Raum zu verlassen, und als wir allein zurückgeblieben, nur wir zwei, berichtete er mir, stoßweise atmend, mit geröteten Wangen und glühender Stirn, alles, was der Geist ihm gesagt.

19. Januar 1896, auf dem Gut der Rajanis
    Die Atmosphäre auf dem Gut ist nicht zum Besten bestellt. Die Araberin hat ihrer
Tuches
Visage sich noch nicht entwöhnt. Der Junge verschanzt in seinem Zimmer sich und isst weder noch trinkt er. Und die Dienerin Amina hat in ihre Kammer sich verkrochen und rasselt und rumpelt dort. Ich aber finde großes Vergnügen in dem Dieselmotor, der das Schöpfrad dreht, und indem Wasser, das geschwind in die Höhe befördert durch die weiten, lichten Bewässerungskanäle strömt. Auch die Eukalyptussetzlinge wachsen ansehnlich, und die beiden Mandelbäumchen, die am Tor des Anwesens ich habe setzen lassen, stehen jetzt in prächtigster Blüte.
    Vor allem aber vergaß ich, eine exzellente Neuigkeit zu vermelden: Es sind drei Kolonisten, aus Russland

Weitere Kostenlose Bücher