Das Haus der Rajanis
wären noch im Land der Lebenden sie, und großes Mitleid mit seinem Vater überkam ihn, der niemals in Schwäche zu ihm gesprochen, niemals aus der Tiefe seines Herzens über seine Nöte und Ängste Auskunft gegeben, und erst jetzt, nach seinem Tode, auf seinem Wege von einer Hölle in die nächste, sprach er zu ihm wie ein Vater zu seinem Sohn, und Raschid wollte die knöchernen Finger des Toten streicheln, wollte ein tröstliches oder ermutigendes Wort ihm sagen, doch der Geist gebot ihm zu schweigen: «Unsere Zeit ist kurz, schon bald werde in meinen Kerker ich zurückkehren müssen, werde gefesselt an den mächtigen Stamm des Baumes Sakkum, des Balsambaumes, der aus dem tiefsten Grund der Hölle wächst empor, und seine Früchte gleichen dem Kopfe des Satans, seine Äste Würmern und Schwärze. Daher, mein Sohn, lausche aufmerksam nun und höre meine Worte.
Wisse, dass der alleinige Grund für meine Wiederkehr in das Land der Lebenden ist, dir dieses Geheimnis zu offenbaren: Was gesagt und verbreitet ward, ich hätte meinen Tod im heldenhaften Kampfe gefunden, auf dem Rücken eines leichtfüßigen Kamels, unsere vielen Feinde niederstreckend, all dies ist tausendfache Lüge und die bittere Wahrheit eine andere, dass nämlich deine Mutter, die vorgegeben, eine liebende Ehefrau zu sein, einen anderen sich fand, ihre Liebe ihm zu geben, und dieser Mann kein anderer ist als der Emir Omar, hünenhaft gewachsen und rot gelockt, er war es, der ihr Herz gestohlen mit nichtigen Worten und Schmeicheleien,bis gemeinsam sie sich verschworen, meinen Tod über mich zu bringen, und dieser Omar, gebe Allah, dass die Verdammnis der Hölle auf sein Haupt komme, dass sein Fleisch in Stücke gerissen auf immer im Schatten des verfluchten Baumes Sukkam verrotte, er kam in unser Haus wie eine Schlange unter Dornen und Reisern und verführte deine arglose Mutter zu Verrat und Mord, denn auf seinen Rat ging her sie und braute ihm einen verderblichen Trank, eine Schale Gift zu dem Behufe, dass dem, der davon trinke, die Haut runzlig werde und das Herz stehenbleibe und er auf der Stelle stürbe, und als in die Schlacht wir zogen, traf Vorsorge er, dass gemeinsam wir Wache halten sollten in Erwartung unserer Todfeinde, doch als bei Nacht ich auf meinem Posten ein wenig ruhte, meine Kräfte zu sammeln für den Tag der großen Schlacht, kam dieser Bösewicht, dieser hurende Mann, dieser auf Spinnenbeinen tanzende Kot, kam, mir das Leben zu nehmen, und goss das teuflische Destillat in meine Ohren, da friedlich schlafend ich dalag, und hernach schaffte hinweg er meinen Leichnam und erzählte seine Lügengeschichte über einen Kampf in der Hitze der Wüste, doch siehe, tot bin ich, mein Körper ist verrottet und mein Fleisch bedeckt von Gewürm und Auswurf.»
Abermals vergoss der Geist Tränen, und Raschid schwankte auf seinen schlotternden Knien, da sein Vater ihm bedeutete, seine Stunde zu gehen sei gekommen, und vom östlichen Horizont zog bereits der blasse Schein der Morgenröte auf, und drei besorgte Wachen zeigten auf einem der Hügel sich, einen Seufzer der Erleichterung tuend, als den Jungen lebend sie gewahrten und nicht gefangen oder ertrunken in einem der vergifteten Wasserlöcher, doch der Geist fasste Raschid fest an den Schultern, richtete aus seinen leeren Augenhöhlen den Blick auf ihn und sagte mit einer Stimme, die jedes Herz verstört und jede Seele erschüttert hätte: «Was hältst du wohl davon, wenn er unsere Verse des Betruges beschuldigt und denselbenden Rücken wendet? Weiß er denn nicht, dass Allah alles sieht? So wollen wir ihn bei seinen Haaren ergreifen, bei seinen lügnerischen und sündhaften Haaren. Mag er dann seine Freunde und Gönner rufen; aber auch wir wollen die furchtbaren Höllenwächter rufen.»
22. Januar 1896, Neve Shalom
Die nächtliche Stunde ist vorgerückt schon, gleichwohl aber muss an mein Tagebuch ich mich setzen, die Ereignisse dieses Tages niederzuschreiben.
Meine Seele kocht.
Dräuender Zorn, züngelnde Flammen und heißes, brodelndes Wasser kochen und schäumen in mir, da an die verkommene, empörende, beleidigende und widerwärtige Tat ich denke, die der Junge uns bereitet.
Kein Junge ist er, sondern ein Ungeheuer.
Kein Ungeheuer, sondern eine Schlange mit zwei Köpfen, ein hässlicher Wurm, eine Blattlaus, der man nachstellen und sie töten muss.
Der Abend, der für die Verlesung der versprochenen Geschichte bestimmt, begann auf höchst angenehme Weise. Die Araberin und ich
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