Das Haus der Rajanis
stammend und des Jargons mächtig, heut auf dem Gute eingetroffen, mir bei den vielen Arbeiten, die hier getan werden wollen, zur Hand zu gehen. Der erste hört auf den Namen Menachem-Mendel, der zweite heißt Asher-Jehoshua und der dritte nennt sich Shimon-Jedel. Alle drei haben sie sich seit ein oder zwei Monaten im Lande Israel umgetan und wollen das Leben von Landarbeitern in einer der Kolonien nicht führen, da das Leben in der Stadt ihnen mehr konveniert. Jetzt, da ihre Barschaft zur Neige gegangen und ihre Bäuche geschrumpft, waren schon in Begriff sie, sich nach der Heimat einzuschiffen, hatten aber die Güte, mein Flehen und das ihres guten Freundes Wilder Ochs zu erhören und sich für die Arbeit auf dem Gut ins Geschirr zu legen. Eine wahre Wohltat ist’s, in trauter Eintracht mit werktätigen Männern zu arbeiten, die besser ausgebildet und von höherer Intelligenz als die Pachtbauern, die blöde wie Rindviecher sind.
21. Januar 1896, auf dem Gute der Rajanis
Heut hat endlich der Junge einmal sein Zimmer verlassen und ist heruntergekommen, um mit uns zu speisen. Seine Mutter war sehr aufgeregt und errötete. Salachs Betragen war äußerst gesellig, er aß mit Appetit, ja nahm sich gar eine weitere Portion vondem Reis mit Linsen, den Amina, die Dienerin, zubereitet, und dazu frischen Salat. Sie mag der Nachteile viele haben, die Dienerin, doch versteht wahrlich sie es, Tomaten, Gurken und Zwiebeln sehr fein zu schneiden und das Ganze mit dem vorzüglichen Olivenöl der Araber anzumachen. Die Gnädige Frau hat von den Araberinnen noch viele Lektionen zu erlernen, die im Kochen und der Küchenarbeit sie versäumt.
Als das Mahl beendet, erhob der Junge sich und sagte: «Ich habe eine wichtige Mitteilung euch zu machen.»
«Und die wäre?», fragte seine Mutter.
«Ich beabsichtige, euch eine Geschichte vorzulesen, die aus meiner Phantasie erwachsen, eine Geschichte, an der seit Monaten ich gearbeitet und die bislang noch niemand hat gelesen.»
Die Araberin schaute mit grenzenlosem Erstaunen ihn an, ließ alsbald ein Lachen hören, in dem manch Erleichterung war, und sagte: «Dies ist wirklich eine erfreuliche Neuigkeit, mein Schatz, eine Wonne wird es uns sein.»
Ich fragte, «Diese Geschichte, wovon handelt sie?»
«Von den lang vergangenen Tagen der
Dschahiliya
und von fernen Orten, den Wüsten der Beduinen», sagte er, «und von einem Jungen mit Namen Raschid, der dort lebt. Morgen gegen Abend werde eine Stelle ich euch vorlesen, die ich nur Jacques zu Ehren in das Französische übersetzt habe.»
Höchst erfreut und mit großer Genugtuung dankte ich ihm.
Die Araberin indes ward von neuen Lebensgeistern beseelt und wies die Dienerin an, für den morgigen Abend ein besonderes Diner zu bereiten, das ganze Haus mit Mandelbaumzweigen zu schmücken und für exquisite Getränke Sorge zu tragen. Mich aber bedachte mit vielen Küssen sie. Wären nicht die vorgerückte Stunde und der leidige Umstand gewesen, dass die gnädige Frauzu Hause meiner harrte, ihr beizuwohnen und zur Empfängnis zu verhelfen, hätte die Araberin erschöpfend ich wohl erfahren. Doch wird dies gewisslich morgen geschehen, nachdem ich mir die Geschichte des Jungen angehört.
Mit vor Aufregung belegter Stimme rief einer unter den Wächtern am Abend Raschid und führte ihn zu einem dunklen Sandhügel, der ausgekühlt von den Winden der Wüste dalag, und alsbald tauchten aus einem der Zelte, da verhalten er pfiff, zwei weitere Wachposten auf, die Köpfe gesenkt und ihre Blicke unruhig umherstreifend, nach einem Verräter oder Spitzel ausschauend.
Der erste Wächter befahl ihnen: «Berichtet ihm», doch sie schluckten an ihrem Speichel und schienen bestürzt, und Raschid fragte: «Was ist es?», denn er wusste nicht, was diese Wachmänner mit einem Knaben wie ihm zu schaffen haben sollten, dessen Oberlippe kaum vom zartesten Flaum bedeckt, und sie sagten: «Wie du betrauern auch wir den Tod deines teuren und geliebten Vaters, der im Kampf mit den Chasradsch gemeuchelt ward, und sind verzweifelt, dass unter Sandstürmen er begraben und in der Wüste gestorben, doch wisse Folgendes: In der gestrigen Nacht, zur Zeit der dritten Nachtwache, zu einer Stunde, in der selbst das Licht der Sterne schwach und trübe wird und die Winde der Wüste über die baren Sandweiten heulen, da tauchte in der Ferne eine Gestalt vor uns auf, bewaffnet mit Schwert und Lanze, und als wir sie anriefen: ‹Wer da?›, und unsere Speere nach ihr schwangen,
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