Das Haus der Rajanis
nahmen, auf Salachs Einladung, im Kabinett im Erdgeschoss des Hauses Platz, lachten und plapperten wie ein Liebespaar.
Rückblickend gab nur ein beunruhigendes Anzeichen es dort, und das war, dass der Junge, unter falschem und heimtückischem Vorwand, uns genötigt, die Geschichte nicht in seinem Raumeanzuhören, sondern ausgerechnet im Erdgeschoss, unweit des Ortes mithin, an dem man den entseelten Leichnam seines Vaters gefunden.
Ohne zu wissen, dass der Junge eine honigsüße Falle uns gestellt, kosteten die Araberin und ich von den vorzüglichen Delikatessen, welche die rührige Dienerin zubereitet, ja ich ließ sogar zu einem Glase Wein mich bewegen, der bei christlichen Arabern in Jaffa gekauft, und derart wohlgemut sagte ich: «Wohlan, Maestro, bitte entrolle uns diese wundervolle Romanze, an der du so viele Monate gewirkt.»
Der Junge lächelte ein Lächeln, das mir in jenem Augenblicke freundlich und liebend erschien, sich flugs jedoch als schändlich und spöttisch offenbaren sollte, denn alsbald begann er, auf hinterlistige, verschlagene Art, zu der sein infantiles Hirn ich niemals fähig gehalten, auf Französisch zu verlesen, was seiner Feder und seiner Phantasie entsprungen.
Ich werde mein Tagebuch mit den Einzelheiten der lächerlichen Erzählung nicht malträtieren, die von den Kämpfen der Araber in der Wüsten Länder handelt, zumal ja hinlänglich bekannt, dass die Araber seit Anbeginn aller Geschichtsschreibung Mord, Totschlag und Plünderei sehr zugetan waren und dem Leben eines Mannes und seiner Ehre nur allergeringste Bedeutung beimaßen. In den Tagen vor dem Kommen ihres Propheten Muhammad, in einer Zeit, die in ihrem Munde
al-Dschahiliya
genannt, pflegten die arabischen Stämme einander erbarmungslos zu massakrieren, und in einem dieser Kämpfe nun findet der ehrenwerte as-Sayid Abu-Raschid, der Vater von Raschid, des Helden in Salachs Geschichte, seinen Tod.
Raschid.
Ein jeder, der die ersten Zeilen der Geschichte vernimmt, weiß und versteht bereits, dass Raschid kein anderer als Salachund Salach kein anderer als Raschid ist, denn wie Salach zieht es auch Raschid zum Schreiben und zur Poesie hin, wie dieser liebt seine Mutter er und hängt über Gebühr an ihr, und wie Salach ist auch Raschid zart, elegisch und schwächlich, und ohnedies gilt ja das bekannte Faktum auf dem Felde der Literatur, dass alle dort beschriebenen Gestalten allein nach dem Ebenbilde ihrer Erzähler erschaffen und geformt, und wer immer dies zu bestreiten wünscht, belügt niemanden als sich selbst.
Bis zu diesem Punkt der Geschichte lauschten höchst angeregt wir noch. Seine Mutter brüstete sich, dass der Junge die Feder der Literaten zu führen verstehe und auch seine Übersetzung in das Französische fast fehlerlos gelungen sei. Ja, selbstgefällig war sie, ihre Wangen aufgeplustert und die Haut ihres Gesichtes glänzend vor Stolz darob, dass diese Frucht ihres Leibes so trefflich zu schreiben und zu lesen vermocht, weshalb wiederholt sein Talent sie pries, wohingegen, was mich betrifft, die Figuren allesamt unter übermäßiger Simplizität litten, ja gar noch unter dem von einem Jungen seines Alters zu erwartenden Niveau rangierten. Sie hatten weder Tiefe noch Sentiment, wirkten wie Papierpuppen, die aus einer Grille erschaffen und kein Leben eingehaucht bekommen. Ein anderer großer Makel in seinem Schreiben ist, dass ungern er dem Strom seiner Worte Einhalt gebietet und am Ende eines Satzes einen Punkt zu setzen nicht weiß, weshalb seine Sätze in die Länge sich ziehen, bis einem der Atem ausgeht, und über viele Seiten nur kleine Kommata zwischen ihnen trennen.
Dann aber, es waren nur wenige Minuten verstrichen, verschreckte und verkrampfte es mir die Seele, da ein jeder, der die hernach folgenden Zeilen des Erzählten zu Gehör bekäme, verstünde, dass dies mitnichten eine gewöhnliche Geschichte über vergangene Zeiten und andere Menschen, sondern eine Parabel,indes nicht irgendeine beliebige Parabel, sondern eine der verdrehten und ruchlosen Art über mich und die Araberin und über Salach selbst, dessen eigener Vater unlängst verschieden und gestorben.
Aus der Handlung, die mit Verlaub von dümmlicher Einfalt und unrealistisch in ihren allerelementarsten Belangen, offenbarte sich, dass nach dem Tode des Vaters dessen Geist seinem Sohn Raschid im Traume erscheint und diesem berichtet, er habe seinen Tod nicht auf dem Schlachtfelde gefunden, wie alle geglaubt, sondern – Gott schütze uns und
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