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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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quälenden Erkenntnis,schmerzhaft wie eine Klinge an meiner Kehle, dass das Schicksal des guten Engels an diesem Abend besiegelt ward und er verurteilt zu sterben für jene Tat, die aus Begehrlichkeit und Lüsternheit er begangen, für sein Vergehen des Ehebruchs und des Mordes.
    Tage und Wochen war der Engel mir ein guter Freund und Begleiter, brachte ein wenig vom Licht der Sonne in mein Leben, denn dank seiner Späße, seiner Spiele und seines angenehmen Temperaments wurden meine Albträume weniger, begann ich, das Leben mehr zu lieben, kam heraus aus meiner Einsamkeit in den Wänden meines Zimmers, doch welchen Wert hat eine Freundschaft, in der kein Fitzel Freundschaft, und was das Entgelt einer Kameradschaft, in der keinerlei Kameradschaft, denn der Mann, vor dem ich die verborgensten Kammern meines Herzens geöffnet, der Mann, dem ich all meine Geheimnisse und all mein Leiden anvertraut, dieser Mann ist nichts als eine bösartige Schlange, eine Viper, die ihr Gift versprüht unter Kameraden und Nächsten, unter Freunden und Liebsten.
    Wäre ein großer Mann ich von mächtigem Körper, der seine Schwerter zu führen weiß und seine Dolche zu schwingen, würde noch heute Abend ich mich aufmachen und ihn niederstrecken, ihm die Kehle durchschneiden und ihn am Schopfe schleifen, würde sein abgetrenntes Haupt ich nehmen und es in die
Biara
treten, auf dass bis ans Ende aller Generationen es dort ruhe und verrotte. Und wäre ein größerer Bursche ich, mit einem Geflecht aus Muskeln, tiefer Stimme und prächtigem Backenbart, würde mit einem Stein ich ihm den Kopf einschlagen und sein Ende über ihn bringen. Doch was bin ich, wenn nicht ein verwaister Knabe, klein, schwach und sonderlich, der keinerlei Kraft in seinen Lenden, den sogar die Katzen für seine Weichlichkeit verspotteneine kleine Nussschale, die auf der gewaltigen Brandung treibt und jeden Augenblick von ihren Wellen überspült und in die Tiefe gerissen wird.

24. Januar 1896, auf dem Gute der Rajanis
    Mein Zorn auf den Jungen will nicht legen sich und meine Kränkung nicht vergehen. Daher trat an die Araberin ich heran, als gerade sie ihre Hände über dem Waschzuber schrubbte. Ohne Umschweife sagte ich ihr, sie solle Salach befehlen, sich in aller Form bei mir zu entschuldigen für die perfiden und verleumderischen Worte, die er gegen mich gerichtet. Auch sagte ich ihr, sollte eine solche Entschuldigung mir nicht zuteilwerden, würde meine Stellung ich aufgeben und sie allein auf dem Gut zurücklassen, auf dass sie dieses nach eigenem Gutdünken führe.
    Die Araberin, die gefangen alldieweil in einem Zustand der Melancholie, ihre Augen erloschen und ihre Miene sauertöpfisch, ließ für einen Augenblick vom Scheuern ihre Hände ab, um den Jungen zu verteidigen, der Akt einer liebenden Mutter an ihrem fehlgegangenen Sohn, und hob an, ihn zu preisen, sagte, was er uns vorgelesen, sei bloß eine Geschichte und mehr nicht, in der keine Absicht oder Fingerzeig auf etwas, das jenseits davon, und schließlich gelte für alle Kunst, dass allein zur Erbauung der Seele und zur Unterhaltung in Stunden der Muße sie gemacht und nichts darin zu finden sei, was darüber hinauszeige.
    Ich sagte ihr: «Auch in einer frei ersonnenen Geschichte ist zuweilen eine Wahrheit der Emotionen zu finden, und die Wahrheit ist, dass der Junge mich hasst und verabscheut trotz all des Guten, das ich für ihn tue.»
    Sie sagte, und auf ihrem Gesicht ein kleines, irritierendes Lächeln von Unbehagen: «Der Junge liebt über alle Maßen dich, und nur seine schlimme Krankheit und der Tod seines Vaters haben sein Empfinden verwirrt.»
    «Und aus diesem Grunde», sagte ich, «hat als einen verderbten Mörder er mich beschrieben?»
    «Das ist nun einmal die Art der Schriftsteller und Dichter», beschied sie mich. «In ihrer Schaffensglut schreiben ohne nachzudenken sie und brüskieren am Ende die, die ihnen lieb und teuer.»
    Ich begann, unstet im Zimmer auf und ab zu schreiten.
    Schließlich bat traurig und mit verhaltener Stimme sie: «Bitte, sei nicht derart echauffiert, er ist doch nur ein Junge.» Und machte sich wieder daran, ihre Hände über dem Zuber zu waschen, ihre Finger einseifend und mit solcher Hingabe scheuernd, bis die Haut begann, in Fetzen sich zu lösen.
    Ich sagte: «Er muss zu mir kommen, nicht später als bis zur zehnten Stunde heute, und ehrlich und aufrichtig sich entschuldigen. Andernfalls werde allein ich dich lassen mit den Pachtbauern und

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