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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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fusselig redete und sie immer wieder zu überzeugen suchte, daß es nicht in seiner Absicht lag, ihre Karriere zu bremsen, und daß Kinder und ein wenig mehr Familienleben das auch nicht fertigbringen würden.
    Es war keine Frage der Logik oder Vernunft. Sie hatte sich dagegen entschieden. Und er konnte kaum darauf hoffen, daß sie es sich anders überlegte, zumindest würde dafür kaum Zeit bleiben. Barbara war siebenunddreißig Jahre alt. Die Uhr lief langsam ab.
    In manchen dunklen Stunden grübelte Ralph darüber nach, ob der tiefere, der wahre Grund vielleicht er selbst war. Schreckte sie davor zurück, sich mit ihm so unverbrüchlich einzulassen, wie es — zumindest in ihren Augen — Voraussetzung und Folge war bei einer Familiengründung? Kinder würde sie womöglich als Verpflichtung empfinden, auf jeden Fall mit Ralph zusammenzubleiben.
    Barbara war eine Perfektionistin. Das Scheitern einer Ehe mochte schlimm genug für sie sein, das Auseinanderbrechen einer ganzen Familie aber würde eine große, persönliche Niederlage für sie bedeuten.
    Hätte sie bei einem anderen Mann den Mut gefunden?
    Zu quälend, entschied er, um noch länger darüber nachzudenken.
    Sie hatte von Victoria Grays Anpassungsbereitschaft gesprochen und wartete auf eine Antwort.
    »Ich habe dir schon hundertmal erklärt«, sagte er, »daß mir überhaupt nichts an einer Frau liegt, die sich mir unterwirft oder ihr Leben nach mir ausrichtet. Ich bin es leid, es wieder und wieder zu sagen. Glaube es oder glaube es nicht. Es fängt an, mir gleichgültig zu sein.«
    Barbara runzelte kurz die Stirn; das war ein neuer Ton, der sie für einen Moment verunsicherte. Aber ihre Gedanken weilten noch bei dem Buch, sie mochte jetzt nicht über Ralph nachdenken.
    »Sie konnte offenbar keine Kinder bekommen«, sagte sie, »jedenfalls war sie drei Jahre nach der Hochzeit noch immer nicht schwanger, obwohl sie alles versuchte. Ich frage mich, ob das der Scheidungsgrund war.«
    »Wer war noch nicht schwanger?« erkundigte sich Ralph irritiert.
    »Victoria Gray. Oder — Victoria Leigh, wie sie dann hieß. Laura hat doch erzählt, daß sie von John Leigh geschieden wurde.« Barbara überlegte kurz.
    »Laura hat das so komisch formuliert... Victoria war mit Fernand Leighs Vater verheiratet, sagte sie, nicht: Victoria war Fernands Mutter! «
    »Seine Mutter war eine französische Emigrantin«, erinnerte Ralph, »das erwähnte doch Cynthia Moore, weißt du nicht mehr?«
    »Stimmt. Dann hat es später also noch eine Frau gegeben.«
    »Du wirst das alles herausfinden.« Ralph trank seinen letzten Schluck Kaffee, schob den Becher fort und stand auf. »Ich werde die Skier aus dem Keller holen und sehen, wie ich damit zurechtkomme. Wenn bis morgen nicht irgend etwas Entscheidendes passiert ist, muß ich sehen, daß ich nach Leigh’s Dale komme.«
    Barbara sah zum Fenster hinaus. Der Himmel war klar und blau. »Immer noch kein neuer Schnee. Vielleicht wird man versuchen, mit einem Schneepflug zu uns vorzudringen.«
    »Das meine ich ja mit ›Wenn etwas Entscheidendes passiert‹. Aber vielleicht passiert auch gar nichts. Und wir brauchen etwas zu essen. Langsam wird es akut.«
    »Okay. Aber mach dich nicht einfach auf den Weg, ohne etwas zu sagen, ja?«
    »Natürlich nicht. Ich will meine Fähigkeiten als Langläufer ja auch erst einmal testen.« Er ging zur Tür, blieb dort noch einmal stehen. »Übrigens - ich möchte mich entschuldigen, falls ich heute nacht irgendwie zu aufdringlich war. Ich denke, das wird nicht mehr vorkommen.«
    Sie zuckte zusammen. Es hatte etwas Hartes und Abweisendes in seiner Stimme gelegen, das sie erschreckte.
    »Ich muß mich entschuldigen«, sagte sie leise, »ich habe sehr übertrieben reagiert. Es tut mir leid.«
    Er nickte und verließ die Küche.
    Barbara fühlte sich plötzlich sehr elend.
    »Ach, verdammt, es liegt auch einfach an der Situation«, murmelte sie. »Wir sind jetzt seit bald vier Tagen hier zusammen eingesperrt, wir sind abgeschnitten von der Außenwelt, wir frieren und haben Hunger. Da muß man ja ganz komisch werden!«
    Sie nahm sich noch einen Kaffee und setzte sich entschlossen an den Tisch. Sie würde jetzt weiterlesen. Sie konnte gar nichts anderes tun. Sie fühlte sich nicht im geringsten in der Verfassung, über ihre privaten Probleme nachzugrübeln.

    Mai bis September 1916

    Frances traf John an einem Maiabend des Jahres 1916 wieder, mitten auf den Straßen von London, völlig überraschend. Sie kam

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