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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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versuchte das Beste aus dem zu machen, was sie hatte. Sie rauchte zuviel und hatte sich eine Leidenschaft für schottischen Whisky angewöhnt, der sie, wie sie auf diesen Seiten vorwegnahm, bis ins hohe Alter treu bleiben würde. Sie war zudem, wie sie gnadenlos ausführte, nicht mehr allzu nett anzusehen:
    »Frances war nie besonders hübsch gewesen. Aber ihre kühnen, kantigen Züge und der allzu scharfe Kontrast zwischen ihrer weißen Haut, dem schwarzen Haar und den kühlblauen Augen waren gemildert und verschönt worden durch einen Liebreiz, der in ihrem Lächeln lag und der herrührte von ihrer Unschuld und Unbefangenheit. Beides hatte sie inzwischen verloren. Nun fehlte ihrem Lächeln die Wärme, ihren Augen das Leuchten. Dafür waren ihre Gedanken klarer, ihre Formulierungen präziser, ihre Reden unverblümter als früher. Sie lebte in dem Gefühl, nichts mehr zu verlieren zu haben und in gewisser Weise unverletzlich zu sein — ein Irrglaube, wie sie später herausfand, aber für den Moment verlieh ihr diese Überzeugung Selbstsicherheit und Kraft.«
    Und um Frances herum jagte die Welt auf einen mörderischen Krieg zu, unaufhaltsam und mit tödlicher Konsequenz. Im März 1914, an Frances’ einundzwanzigstem Geburtstag, hielt der Erste Lord der Admiralität, Winston Churchill, eine flammende Rede vor dem Unterhaus, in der er seine gigantische Aufrüstungspolitik der englischen Flotte verteidigte. Die Effizienz der britischen Armee, so verkündete er, hinge von Englands Stärke zur See ab. Von Labour-Seite wurde er scharf angegriffen, seine Haltung als Gefährdung des Weltfriedens bezeichnet.
    Aber der Weltfrieden war schon nicht weiter zu gefährden, die Welt stand ohnehin dicht davor, in Flammen aufzugehen.
    Am 28. Juni wurde das österreichische Thronfolgerpaar in Sara-jewo von einem serbischen Attentäter ermordet.
    Vier Wochen später erklärte Österreich Serbien den Krieg.
    Am 1. August machte Deutschland mobil. An die belgische Regierung erging die Aufforderung, den Durchmarsch deutscher Truppen nach Frankreich zu dulden, nachdem Frankreich erklärt hatte, in einem europäischen Krieg nicht neutral bleiben zu wollen. Belgien lehnte ab. Ultimativ forderte daraufhin die britische Regierung die Deutschen auf, die Neutralität Belgiens zu respektieren.
    Am 3. August überschritten deutsche Truppen die belgische Grenze.
    Am 4. August 1914 erklärte England Deutschland den Krieg.
    Frances schrieb dazu: »Der Kriegsausbruch am 4. August einte das Volk — für den Moment jedenfalls. Hatten in den Tagen zuvor noch zahlreiche Demonstrationen, vor allem in London, stattgefunden, in denen die Regierung aufgefordert wurde, keinesfalls den Frieden aufs Spiel zu setzen, so brachte die Nachricht vom Einmarsch der Deutschen in Belgien den großen Stimmungsumschwung im ganzen Land. Sogar die Labour-Partei sagte der Regierung Asquith nun ihre Unterstützung zu. Alle innenpolitischen Querelen verstummten fast von einem Moment zum anderen. Die Engländer sahen sich einem Feind von außen gegenüber und hörten auf, sich untereinander zu bekriegen. Sie waren wieder gute Patrioten und bereit, alles für den Sieg ihres Landes zu geben.
    Für Frances aber blieb jener 4. August 1914 nicht allein wegen des Kriegsausbruchs unauslöschlich im Gedächtnis haften. Es war der Tag, an dem ihre Großmutter Kate für immer die Augen schloß. Eine zu spät erkannte Blinddarmentzündung hatte den Tod verursacht. Wenige Tage später traf zum ersten Mal seit Jahren wieder die ganze Familie zusammen - George, der bereits seinen Einberufungsbefehl erhalten hatte und vom Grab weg zu seinem Regiment abreisen mußte, eine schmerzerstarrte Maureen, Charles mit unbeweglicher Miene.
    Victoria, hochelegant gekleidet und wunderschön frisiert, erschien am Arm von John, aber Frances war so traurig über Kates Tod, daß sie sich deswegen nicht aufregen konnte. Sie registrierte nur, daß John nervös wirkte; sein Platz wäre in diesen Tagen des Kriegsausbruchs in London gewesen, und er fieberte danach, dorthin aufzubrechen. Victoria sah bei aller Schönheit ungewöhnlich melancholisch aus, nicht allzu verwunderlich während einer Beerdigung; aber Maureen erzählte Frances später, Victoria sei verzweifelt, weil sie drei Jahre nach ihrer Hochzeit noch nicht schwanger war, obwohl sie inzwischen eine Vielzahl von Ärzten konsultiert und eine Menge Kuren gemacht hatte.
    Vielleicht hätte Frances zu irgendeinem anderen Zeitpunkt eine gewisse Häme nicht

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