Das Haus Der Schwestern
seinen Teil abbekommen hatte.
Auf einmal erschien es ihr so nutzlos, so unsinnig, daß sie beide da standen und unglücklich waren und das verspielt hatten, was ihnen von Anfang an gehört hatte: ihre unverbrüchliche, tief verwobene Zusammengehörigkeit. Was sie betrieben, war Verschwendung, die schlimmste Verschwendung, die es gab. Sie verschleuderten Lebenszeit, verharrten in einer Situation, in die sie durch Irrtümer, Mißverständnisse und Starrköpfigkeit geraten waren.
Vor allem durch seine Starrköpfigkeit, dachte Frances, weit mehr als durch meine.
Diese Erkenntnis, wie viele Jahre sie bereits verloren hatte, ließ sie ihren Stolz vergessen, ihre Vorsicht, ihre Zurückhaltung. Sie schlug alle Ermahnungen in den Wind, die sie sich selbst gegeben hatte: Zeige ihm nicht, daß du verletzt bist. Frage ihn nie, warum er das getan hat!
»Warum hast du das getan?« fragte sie. »Warum hast du sie geheiratet?«
Eine Sekunde lang war er aus dem Gleichgewicht gebracht. Er faßte sich jedoch schnell. »Das ist kein Thema zwischen uns«, sagte er kühl und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Ein Trupp singender Rekruten zog an ihnen vorbei. Über den Fluß wehte ein frischer Wind heran. Die Sonne war hinter den Häusern versunken.
»Bestimmst du allein, was ein Thema zwischen uns ist und was nicht? « fragte Frances scharf. Sie hatte keine Lust, sich abweisen zu lassen. Auf einmal brannte es ihr unter den Nägeln, endlich eine Antwort auf das Warum zu bekommen.
»Warum? Warum so plötzlich? Ich meine, warum bist du hingegangen und hast so plötzlich geheiratet?«
»Warum interessiert dich das?«
»Warum interessiert dich, was zwischen Phillip und mir war?«
»Eins zu null«, sagte John.
»Du hast von mir eine ehrliche Antwort bekommen. Ich will von dir auch eine.«
»Es war nicht so plötzlich. Wir trafen uns auf einigen Festen. Wir ritten zusammen aus. Sie interessierte sich für meinen Wahlkampf. Sie...«, er zuckte mit den Schultern, »sie war auf einmal kein kleines Mädchen mehr. Sie war eine junge Frau.«
»Das ist doch kein Grund, sie gleich zu heiraten!«
Er wirkte plötzlich feindselig. »Du wolltest mich nicht. Ich denke also nicht, daß du das Recht hast...«
»Du wolltest mir eins auswischen«, sagte Frances schrill. »Sei doch ehrlich und gib es zu! Du hast es nicht verwinden können, daß ich nicht sofort zu deinen Füßen hingesunken bin, als du mich fragtest, ob ich deine Frau werde. Du bist ja so attraktiv. So wohlhabend. Ehrgeizig und erfolgreich. Du konntest es nicht fassen, daß eine Frau dir nicht wie eine reife Frucht in den Schoß fällt!«
Er war wütend, das konnte sie sehen, und er zwang sich mühsam, nicht laut zu werden; vermutlich um sie nicht zu provozieren, ihrerseits noch lauter zu werden. Eine Reihe von Passanten hatte sich bereits neugierig nach ihnen umgedreht.
»Frances, es gibt nicht die geringste Veranlassung, weshalb wir die Gründe für unser Verhalten damals analysieren müßten. Die Dinge sind nun, wie sie sind, daran ändert keiner von uns mehr etwas. Ich habe Victoria geheiratet, und damit mußt du dich abfinden. «
»Wie überzeugend du wieder die große Gelassenheit herauskehrst! Nur weil du nicht wahrhaben willst, wie kindisch und zudem berechnend und egoistisch deine Motive waren. Mich wolltest du ärgern — und dazu war dir wohl aufgegangen, wieviel geeigneter eine Frau wie Victoria für deine Karriere ist. Gib das doch wenigstens zu! Ich hätte dich Stimmen gekostet mit meiner Vergangenheit. Wie peinlich, mit mir in der guten Gesellschaft aufzukreuzen! Dagegen die niedliche, adrette Vicky! Die kann man schön vorzeigen, nicht? Ein unbescholtenes Mädchen aus guter Familie — sieht man von dem Makel ab, daß sie immerhin genauso wie ich Tochter einer irischen Katholikin ist. Warum hat dich das eigentlich nicht gestört? Du ordnest doch sonst alles dem Prinzip unter, nur ja im Ansehen der Leute nicht einen einzigen Punkt zu verspielen!«
»Frances, es reicht! Und sei, vor allem, nicht so laut! Ich denke nicht, daß die ganze Stadt mitbekommen muß, worüber wir streiten. «
»Und wenn mir das völlig gleich ist?«
Er warf seine nur halb aufgerauchte Zigarette auf den Boden, trat sie aus.
»Mach, was du willst. Ich werde jetzt gehen. Ich lasse mich von dir nicht in ein so unsinniges Gespräch verwickeln!«
»Geh doch!« Das klang wie ein Pistolenschuß. Überall blieben die Leute stehen.
»Frances, ich rate dir, hör auf. Du machst dich
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