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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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unüberblickbares Gewimmel von verwundeten Soldaten, Sanitätern und Schwestern. Irgend jemand schrie unverständliche Anweisungen, die von niemandem beachtet wurden. Die Reih-und-Glied-Ordnung hatte sich aufgelöst, dadurch gab es keine Gassen mehr, in denen man sich bewegen konnte. Alle Hilfskräfte mußten sich ihren Weg irgendwie selber bahnen und blieben immer wieder an unpassierbaren Stellen hängen. Zwei Sanitätern rutschte ein Soldat im allgemeinen Gewirr von der Bahre; er starb lautlos im Staub der zertrampelten Wiese. Eine junge Schwester, durchsichtig wie ein Geist und augenscheinlich völlig erschöpft, sank plötzlich mit kalkweißem Gesicht zu Boden und blieb reglos liegen. Es roch durchdringend nach Chloroform. Ein Soldat mit einem Holzbein humpelte herum und schrie, er habe frische Muscheln zu verkaufen; aber natürlich hatte er nichts anzubieten, sondern streckte jedem nur seine leere, schmutzige Hand hin, an der drei Finger fehlten.
    Etwas abseits von dem Gewühl saß George auf einem Baumstumpf und rauchte eine Zigarette. Er wirkte gänzlich unberührt von den Geschehnissen ringsum, schien nichts zu hören, nichts zu sehen. Er war vertieft in sich selbst, machte den Eindruck, als halte er stumme Zwiesprache mit seinem Innern. Ebensogut hätte er einsam irgendwo im Wald sitzen können, an einem der Bäche oder auf einer Wiese Wensleydales. Wundersamerweise war keine Spur von der allgegenwärtigen Alice zu entdecken.
    Frances trat zu ihm hin. »George?«
    Er blickte auf, ohne besonderes Interesse. »Ach, du bist es. Ich dachte schon, Alice sei bereits wieder aufgewacht.«
    »Hat sie sich endlich einmal schlafen gelegt?«
    »Sie konnte nicht mehr. Sie ist in ihr Quartier gegangen und wollte in einer Stunde zurück sein.«
    »Wenn sie einschläft«, sagte Frances, »dann wacht sie vor heute abend nicht mehr auf. Sie ist ja fix und fertig.«
    Unschlüssig blieb sie stehen, wartete, daß George sie auffordern würde, sich neben ihn zu setzen. Aber er beachtete sie schon nicht mehr, zog stumm an seiner Zigarette. So kauerte sie sich einfach zu seinen Füßen ins Gras, das noch warm und trocken war von der Sonne des Tages. Noch zwei Stunden, und die Dämmerung würde hereinbrechen, erste Vorbotin eines dunklen Herbstabends, der kalte Luft mit sich bringen würde und Feuchtigkeit, die aus der Erde stieg. Die kritische Situation der Männer, die hier draußen lagen und mit dem Tod rangen, würde das noch verschärfen.
    »Wie geht es dir heute, George?« fragte Frances.
    Er starrte dem Rauch seiner Zigarette hinterher. »Recht gut, danke«, antwortete er.
    Es war das, was er immer antwortete auf die Frage nach seinem Befinden. Dann realisierte er, daß Frances im Gras saß.
    »Entschuldige«, sagte er und versuchte mühsam, aufzustehen. Sein Körper wollte meist noch nicht so, wie er sollte. »Nimm hier meinen ...«
    Sanft drängte sie ihn zurück. »Bleib sitzen. Ich habe derzeit die gesünderen Knochen.«
    Er blieb, wo er war, und fragte: »Möchtest du eine Zigarette?«
    »Sag nur, du hast noch eine?«
    Er nickte, kramte eine etwas zerdrückte Zigarette aus seiner Jackentasche, dazu ein verbeultes Päckchen mit Streichhölzern. »Hat Alice für mich organisiert. Ich weiß nicht, wie sie das macht. Aber sie hat jeden Tag etwas Besonderes für mich.«
    »Sie liebt dich, das ist mir inzwischen klar. Vielleicht hat sie es selbst erst begriffen, als wochenlang keine Nachricht von dir kam. Sie hatte wirklich Angst.«
    »Sie wollte mich nie«, sagte George, aber es klang weder gekränkt noch traurig, noch resigniert. Es war eine völlig emotions-lose Feststellung. Er gab Frances Feuer, und sie tat einen langen, genießerischen Zug, nachdem sie ihre ersten Skrupel, George eine solche Kostbarkeit wegzunehmen, überwunden hatte. Es war vielleicht nicht anständig, aber sie war ausgehungert nach der besänftigenden Wirkung des Nikotins. Sie hätte nicht verzichten können.
    Es ging ihr tatsächlich sofort besser, alles in ihr entspannte sich, und es gelang ihr, innerlich ein Stück abzurücken von den Ereignissen ringsum.
    "Jetzt noch ein Whisky«, sagte sie sehnsüchtig, »und für einen Moment wäre die Welt fast in Ordnung.«
    George lächelte. »Aber Frances! Trinkt eine Dame in aller Öffentlichkeit Whisky?«
    Sie zuckte die Schultern. »Als Dame werde ich wohl sowieso nie wieder akzeptiert. Es liegt mir auch, ehrlich gesagt, nicht allzuviel daran.«
    Er nickte. »Das ist etwas, das Hand in Hand geht mit dem

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