Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
in Frankreich, in einem Lazarett, und um uns tobt ein schrecklicher Krieg. Man hat uns nicht darauf vorbereitet. Das war das Schlimme. Ich kann nicht damit umgehen, weil nichts in meinem Leben mich gelehrt hat, wie ich das machen soll.«
    »So etwas kann dir niemand beibringen. Es geschieht, und jeder muß sehen, wie er damit fertig wird.« In welche Gedankengänge vergrub er sich da? Sinnlos, dachte sie, nutzlos.
    »Es war die vollkommene Idylle«, fuhr George fort, als habe Frances nichts gesagt. »Das Leben in Westhill. Es war unwirklich. Wir waren abgeschottet von der Welt, wie sie ist. Das hier ist real. Das hier ist das Leben.«
    »Nein. Es ist nur ein Teil. Ein böser, alptraumhafter Teil. Nicht das ganze Leben.«
    Seine Zigarette war zu Ende, Asche rieselte von seinen Fingerspitzen ins Gras. George versank wieder in sich, seine Augen glitten ab von Frances. Wo war er? Wieder im Stollen? Durchlebte er wieder die dunklen Stunden? Hörte er, wie das Stöhnen verstummte?
    Zum ersten Mal dachte Frances erschrocken: Am Ende hat Alice recht. Er ist krank. Viel mehr, als ich glaubte.
    Kälte breitete sich in ihr aus, und Furcht. Mit George hatte sie den größten Teil ihres bisherigen Lebens verbracht. Die schönsten Jahre hatten sie geteilt. Er war ihr großer Bruder, ihr Halt, ihr Anker. Und nun mußte sie erkennen: Ich habe ihn verloren. Als das, was er war, habe ich ihn verloren. Ich kann mich nie mehr an ihm festhalten. Von nun an — und auch nur, wenn er sich nicht aufgibt — wird er sich an mir festhalten.
    So saßen sie eine Weile, jeder in eigene Gedanken versunken, bis es kühl und dämmrig wurde um sie herum und eine blasse Alice auf sie zukam.
    »Wir können morgen mit einem Verwundetentransport nach England zurück«, sagte sie. »Ich habe Plätze für uns alle drei.«
    George blickte gleichgültig an ihr vorbei. Frances hob den Kopf. »Morgen schon?«
    Alice nickte. »Der Arzt erlaubt es.«
    »Hoffentlich irrt er sich nicht«, meinte Frances, »die schicken die Leute hier sicher früher auf Transport, als es zulässig wäre. Schließlich brauchen sie jeden Millimeter Platz.«
    Morgen! Morgen schon heim nach England! Und sie wußte immer noch nichts von John! Geschweige denn, daß sie auch nur ein einziges Wort mit ihm hatte sprechen können. Seine letzte Erinnerung an sie mußte immer noch die sein, wie sie in einem unvorteilhaften Kleid, verschwitzt und abgekämpft am Themseufer in London stand und keifte wie ein Marktweib. Ihr wurde noch heute heiß vor Scham, wenn sie daran dachte, wie sie gewirkt haben mochte. Sie hätte ein Vermögen gegeben, dies alles wieder in Ordnung bringen zu können.
    » In Georges Fall hat der Doktor aber recht«, sagte Alice nun. » Er ist transportfähig, das kann sogar ich sehen! Je eher er von hier fortkommt, desto besser. Er braucht Ruhe und Frieden, und bei mir kann er beides finden.«
    »Du willst ihn mit zu dir nach London nehmen?« fragte Frances überrascht.
    »Wohin denn sonst?«
    »Er muß heim nach Yorkshire. Dort ist sein Zuhause!«
    »Sein Vater will ihn da doch nicht mehr sehen«, zischte Alice mit gedämpfter Stimme, denn sie mochte dem kranken George nicht auch noch diesen tragischen Umstand ins Gedächtnis rufen.
    »Er ist knapp dem Tod entronnen. Für meine Eltern hat sich vieles geändert. Meine Mutter hat das deutlich gesagt.«
    »London ist besser für ihn«, beharrte Alice.
    »Diese enge, feuchte, kleine Wohnung!« rief Frances. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
    Sie starrten einander zornig an, eine so unnachgiebig wie die andere. Schließlich sagte Frances: »Ich weiß, was dahintersteckt. Du bist nicht willkommen in Westhill. Da liegt dein Problem. Es ist eine zu ärgerliche Vorstellung für dich, seine Mutter könnte ihn gesundpflegen, und nicht du. Statt daß du an ihn denkst und daran, was für ihn das Beste ist!«
    »Es war meine Idee, nach Frankreich zu ihm zu fahren«, sagte Alice, »von euch hätte sich doch keiner in Bewegung gesetzt, um ihn zurückzuholen. Um bei ihm zu sein. Du hast dich mir angeschlossen, von allein hättest du keinen Fuß vor den anderen gesetzt!«
    »Er ist mein Bruder!«
    »Er ist...«, begann Alice, sprach aber nicht weiter.
    Frances lachte. » Er ist nicht dein Mann ! Dagegen hast du dich ja erfolgreich gewehrt in all den Jahren. Nun erhebe nicht einen Anspruch, der dir nicht zusteht.«
    »George«, sagte Alice, »vielleicht solltest du entscheiden, wohin du möchtest. Ich kann mir nicht denken, daß es

Weitere Kostenlose Bücher