Das Haus Der Schwestern
erwiderte: »Ja. Nächsten Sonntag.«
Die beiden Frauen verließen den Garten. Am Tor blickte sich Frances noch einmal um, aber George war schon wieder im Haus verschwunden. Einsam, verwunschen und blühend lag der Garten in der Nachmittagssonne.
Als sie im Auto saßen und die Landstraße entlangfuhren, sagte Alice plötzlich: »Ich werde nach London zurückgehen.« Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß ihr Entschluß feststand.
Frances sah sie überrascht von der Seite an. »Sicher?«
»Ich habe gerade noch einmal mit George gesprochen«, sagte Alice. »Es hat keinen Sinn. Ich bin eine Fremde für ihn. Von allem, was früher war, weiß er nichts mehr, oder er will es nicht wissen. Ich glaube nicht mehr, daß sich daran etwas ändern wird.«
Frances glaubte es auch nicht. »Er lebt in seiner eigenen Welt. Sie hilft ihm, den Erinnerungen zu entkommen.«
»Manchmal frage ich mich, ob ich eine Chance gehabt hätte, wenn du nicht damals mit ihm ausgerissen wärst. Eine Chance, zu ihm durchzudringen.«
»Alice ...«
Es war so sinnlos, zum hundertsten Mal davon anzufangen. Alice hatte gestritten, geweint und geschrien. Es war ihrer Entkräftung zuzuschreiben, der Depression, in der sie seit Jahren lebte, daß sie irgendwann aufgegeben hatte zu kämpfen. Die Alice von früher, das wußte Frances, hätte ihr die Augen ausgekratzt und Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um George nach London zurückzuholen. Die Alice von heute zog nach Nordengland in seine Nähe und arrangierte sich mit ihrer Widersacherin, um noch etwas von dem zu ergattern, was sie längst verloren hatte: Georges Nähe und Zuneigung.
Auch jetzt beließ sie es bei der kurzen Bemerkung, vermied weitere Vorwürfe und Anklagen.
»So bald wie möglich werde ich abreisen«, sagte sie.
»Du mußt dir dann wieder eine Wohnung suchen.«
»Ich werde schon etwas finden. Sicher kann ich erst einmal bei Hugh Selley unterkriechen und von dort Ausschau halten.«
Hugh Selley, der Hausmeister.
»Das würde ich nicht tun«, warnte Frances, »der nützt das doch sofort aus. Glaube bloß nicht, daß der jemals aufgibt.«
Sie waren vor dem kleinen Hotel am oberen Ende der Strandpromenade von Scarborough angekommen. Schmutzige Fenster, verfärbte Gardinen, blätternder hellblauer Putz. Ein paar Frauen, die vor dem Eingang standen und plauderten, brachen ihr Gespräch ab und starrten das Automobil und seine Insassen mit unverhohlener Neugier an.
»Ja, also...«, sagte Alice und wollte die Tür öffnen.
Frances hielt ihren Arm fest. »Versuch doch wieder, ein bißchen mehr an dich zu glauben«, bat sie, »du warst immer so stark. Du hast niemanden gebraucht. Auch George über viele Jahre nicht.«
Alice lächelte. »Ich weiß schon, was du denkst, Frances. Daß ich nun meine gerechte Strafe erhalte. Als George um mich kämpfte, hatte ich hundert andere Dinge im Kopf, die mir wichtiger waren. Und nun, da ich mich am Ende und verlassen fühle, da ich ihn brauche, ist er nicht mehr für mich da. Hätte er sich aus Ärger oder gekränktem Stolz von mir abgewandt, dann könnte ich ihn zurückgewinnen. Ich könnte ihm alles erklären. Aber er ist krank. Ich könnte anstellen, was ich wollte, ich würde nie mehr zu ihm durchdringen. Das Schicksal kann so perfide sein, findest du nicht? Es hält Wendungen bereit, mit denen wir nie gerechnet hätten.«
»Ja«, sagte Frances leise, »das ist wirklich manchmal alles absurd. «
Sie schwiegen beide. Die anderen Frauen glotzten noch immer.
»Wenn du am nächsten Sonntag wieder zu George fährst, bestelle ihm Grüße von mir«, bat Alice und stieg aus.
»Das mache ich. Und, Alice — verkaufe dich nicht unter Wert. Du wirst dich nicht immer schwach und allein fühlen, du kommst wieder auf die Beine. Von selber. Halte dich nicht an den falschen Menschen fest.«
Alice nickte. Frances sah ihr nach, wie sie auf die Hoteltür zuging. Sie wirkte bedrückt und resigniert.
Frances fuhr wieder an und widerstand nur mühsam dem Bedürfnis, den gaffenden Frauen die Zunge herauszustrecken.
Sie vernahm die Stimme ihrer Schwester schon an der Haustür. Sie klang klagend und weinerlich wie immer. Seit einiger Zeit hatte sich ein schriller Unterton eingeschlichen, der da früher nicht gewesen war und der überreizte Nerven und chronische Unzufriedenheit verriet.
»Er behandelt mich schlechter als einen Hund. Nie ein freundliches Wort. Nie eine Geste der Zärtlichkeit. Er wird so furchtbar schnell wütend. Manchmal habe ich
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