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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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und für die, die es allein nicht mehr schafften.
    »Es sind viele Lebensmittel in dem Korb, George«, sagte sie, »die sollten nicht hier in der Sonne stehen. Bring sie doch in deine Vorratskammer.«
    Folgsam ergriff er den Korb, und Alice rappelte sich auf. »Ich helfe dir beim Einräumen!« Sie warf Frances einen Blick zu, der besagte, daß sie einen Moment mit George allein sein wollte.
    Nachdem die beiden verschwunden waren, schlenderte Frances durch den Garten. Er erinnerte sie an den daheim — wie er gewesen war zu Maureens Lebzeiten. Inzwischen verwilderte er zusehends, weil niemand die Zeit fand, sich richtig um ihn zu kümmern. Aber dieser Garten hier wurde mit aller Liebe und Sorgfalt gepflegt. Wie viele Blumen George gepflanzt hatte! Wild und bunt blühten sie durcheinander. Bienen summten im Geäst der Obstbäume herum. Die Katze, die vorhin die Mauer entlanggelaufen war, hatte sich auf einer hölzernen Bank zusammengerollt, öffnete schläfrig ein Auge, als Frances herankam, und schloß es dann wieder. Die Katze gehörte irgend jemandem im Dorf, erinnerte sich Frances, sie kam jeden Tag hierher. Tiere liebten George und hielten sich gern in seiner Nähe auf. Und auch er zog Tiere ganz entschieden den Menschen vor. In ihrer Gegenwart schien er zeitweilig manches von dem zu vergessen, was ihn sonst ständig verfolgte und quälte.
    Es ist wenigstens ein gutes Zeichen, daß er sich hier ein kleines Paradies geschaffen hat, dachte Frances.
    Sich der Blumen und Bäume seines Gartens zu erinnern bedeutete jedesmal einen Trost für sie, wenn sie wieder einmal zutiefst erschrocken vor einem neuen Bild stand, das er gemalt hatte.
    Er hatte mit dem Malen bald nach seiner Rückkehr aus Frankreich angefangen, und Frances hatte ihn bestärkt und ermutigt, hatte ihm eine Staffelei, Farbe und Leinwand gekauft. Wenn das Malen George Erleichterung brachte, sollte er es in Gottes Namen tun. Seine Bilder blieben sich immer gleich: düstere Farben, Gesichter, die zu Fratzen verzerrt waren, feuerspeiende Ungeheuer, die direkt aus der Hölle zu kommen schienen. Die Bilder verströmten Haß und Gewalt und die Allgegenwärtigkeit eines furchtbaren Todes.
    Frances konnte den Gedanken kaum ertragen, wie es wohl in der Seele ihres Bruders aussehen mochte, daß er solche Bilder malen konnte. Irgendwie hoffte sie immer, er werde eines Tages eine Blume malen oder einen Vogel, oder das Gesicht eines Kindes, dem die Welt noch kein Leid zugefügt hat. Unverdrossen kaufte sie ihm daher immer wieder Farbe und Leinwand. Sie besorgte außerdem Nahrungsmittel für ihn und Molly und brachte sie jeden Sonntag in einem Korb. Und heimlich zahlte sie zwei Drittel der Miete für das Cottage; sie hatte sich mit dem Besitzer geeinigt, George davon nichts wissen zu lassen. Weltfremd, wie er geworden war, fiel ihm überhaupt nicht auf, daß ihn das Häuschen unmöglich den geringen Betrag kosten konnte, den er von seiner Kriegerrente zu bestreiten in der Lage war.
    Es wäre Frances weitaus lieber gewesen, er wäre in Westhill geblieben, in ihrer Nähe, unter ihrer Aufsicht; aber er hatte um nichts in der Welt dort ausharren mögen, und sie hatte schließlich nachgeben müssen. Es hatte ihr weh getan, als sage sich ein leibliches Kind von ihr los.
    Sie wandte sich um, als sie Stimmen hörte, und sah zum Haus zurück. Die Sonne stand nun schon weiter im Westen, Frances mußte blinzeln und die Hand über die Augen halten, um etwas sehen zu können. Alice trat aus der Tür, gefolgt von George. Frances hatte zuerst gedacht, sie rede mit ihm, aber nun merkte sie, daß Alice nach ihr rief.
    »Frances! Frances, kommst du?«
    Sie ging zu den beiden hinüber. Alice hatte eine steile Falte auf der Stirn, sie sah aus, als habe sie Kopfschmerzen.
    »Wir sollten aufbrechen. Du hast ja noch ein ganzes Wegstück vor dir.«
    Frances nickte. Sacht berührte sie Georges Arm. »Ist es dir recht, wenn wir wieder gehen? Oder gibt es noch etwas, das du besprechen möchtest?«
    Sie hatte die Antwort schon vorher gewußt.
    »Nein, nein, vielen Dank«, sagte George höflich, »es ist schon recht, wenn ihr wieder geht.«
    Frances überlegte manchmal, ob er es eigentlich merken würde, wenn sie gar nicht mehr kamen. Er würde dann kaum mehr etwas zu essen haben und keine Farbe zum Malen. Vielleicht würde er sich einfach in eine Ecke setzen und langsam immer weniger werden, bis er eines Tages ganz verschwunden wäre.
    »Wir sehen uns nächsten Sonntag«, sagte sie, und er

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