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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Marguerite.
    »Nun, ich nehme nicht an, daß Frances vorhat, in Westhill deutsche Sitten einzuführen«, sagte John und lachte.
    Die anderen stimmten in sein Lachen ein, als habe er einen wirklich lustigen Scherz gemacht; aber Frances hatte das Gefühl, jeder müsse merken, wie angespannt und unecht sie klangen.
    Marguerite hatte inzwischen Laura entdeckt, die mit roten Augen und tränennassen Wangen auf dem Sofa kauerte.
    »Was ist denn mit dir los?« rief sie.
    »Laura ist plötzlich ohnmächtig geworden«, erklärte Frances. »Eine Kreislaufschwäche vermutlich.«
    »Kein Wunder«, sagte Marguerite entsetzt, »sie hat ja geradezu dramatisch abgenommen!« «
    »Wie ich gesagt habe«, bekräftigte Adeline.
    »Ich habe es überhaupt nicht bemerkt«, gestand Frances schuldbewußt.
    »Das ist auch schwierig, wenn man jemanden täglich sieht«, sagte Marguerite, »aber ich habe sie seit drei Monaten nicht zu Gesicht bekommen, und für mich ist es erschreckend deutlich.«
    Wieder richteten sich alle Blicke auf Laura, die sofort erneut mit den Tränen kämpfte.
    »Was ich nicht verstehe, ist, daß Laura ziemlich normal gegessen hat die ganze Zeit«, sagte Frances. »Sie wollte abnehmen und hat bei weitem nicht mehr soviel gegessen wie früher, aber doch nicht so wenig, daß es mir gefährlich vorgekommen wäre.«
    Laura vergrub ihr Gesicht und weinte haltlos.
    »Ich fürchte«, sagte Marguerite leise, »daß sie ihre eigene Methode hat, das Essen wieder loszuwerden.«
    »Welche? «
    Marguerite trat an die weinende Laura heran, zog ihr sanft die Hände vom Gesicht. » Laura, das ist nichts, wofür du dich schämen müßtest«, sagte sie eindringlich, »aber du mußt die Wahrheit sagen. Du erbrichst nach dem Essen, stimmt’s? Du sorgst dafür, daß alles gleich wieder herauskommt.«
    »Das gibt es doch gar nicht!« rief Frances erschüttert.
    »Es ist eine Krankheit. Und sie kommt gar nicht so selten vor.« Marguerite faßte Laura an den Schultern, schüttelte sie ganz sacht. »Es ist doch so, Laura, nicht? Du machst es auf diese Weise?«
    Laura nickte. Die Tränen kamen jetzt wie Sturzbäche. »Ich bin so fett«, weinte sie, »so widerlich fett!« «
    »Ihr Körper verwertet natürlich auf diese Weise eine ganze Menge lebenswichtiger Stoffe nicht mehr«, sagte Marguerite, »und das seit Monaten. Kein Wunder, wenn sie einfach umkippt.«
    Victoria lachte hysterisch. »Guter Gott, und wir dachten schon, es wäre, weil...« «
    Frances schoß ihr warnende Blicke zu. Victoria wurde feuerrot und klappte im letzten Moment den Mund zu.
    Sie ist und bleibt einfach eine Idiotin, zürnte Frances.
    »Was dachtet ihr?« fragte John.
    »Nichts«, sagte Frances, »wir dachten nichts.«
    Das klang so abweisend, daß John nicht weiterfragte.
    »Wißt ihr«, sagte Marguerite, »außer daß wir euch gerne noch einmal vor Weihnachten sehen wollten, sind wir vor allem wegen Laura vorbeigekommen. Nach meiner und Johns ... Verlobung habe ich etwas abrupt mit dem Unterricht aufgehört; aber ich finde, ich sollte wieder damit anfangen. Am besten, Laura kommt zu mir nach Daleview, denn ich«, sie strich sich mit der Hand über den Bauch, »bin bald nicht mehr so beweglich. Und wir sind dort unter uns. Neben dem Lernen können wir uns auch ein wenig über deine Probleme unterhalten, Laura. Was meinst du?«
    Laura nickte und schniefte und angelte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch.
    »Und ihr«, sagte Marguerite, »paßt gut auf sie auf. Laßt sie möglichst wenig allein. Sie wird jede Gelegenheit nutzen, sich den Finger in den Hals zu stecken.«
    Alle schwiegen bedrückt. Frances riß sich schließlich zusammen und sagte: »Entschuldigt, wir sind richtig ungastlich! Ihr kommt hierher und kriegt nichts serviert als unsere Probleme. Mögt ihr euch nicht setzen? Wollt ihr etwas trinken?«
    »Gern«, sagte Marguerite, »aber wir bleiben wirklich nur für einen Moment. Irgendwie habe ich das Gefühl, wir haben euch gestört. Wir sind hier wohl in einem ganz unpassenden Augenblick hereingeschneit.«

    Das Jahr 1943 brach an. Schon seit den letzten Wochen des vergangenen Jahres wurden nach und nach immer mehr amerikanische GIs, Waffen, Munition und kriegstechnisches Gerät über den Atlantik nach England gebracht. Was noch niemand in der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt wußte: Die ersten Schritte des Unternehmens »Overlord« liefen damit an — die Vorbereitungen zur geplanten Landung der Alliierten in der Normandie.
    Frances versuchte in dieser

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