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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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was ihre Schwester dann tun würde. Sie hoffte nur, Laura würde nicht ausgerechnet jetzt aufwachen und in den Garten hinaussehen; denn die beiden reifen Frauen bei einer Art Ringkampf zu beobachten, hätte sie sicher schockiert.
    Victoria schaffte es schließlich, sich loszureißen. Sie sah völlig verändert aus mit ihrem bleichen Gesicht, den blutleeren Lippen, den struppigen Haarsträhnen, die ihr wirr in die Stirn hingen. Verändert und gefährlich. Nicht ansprechbar, nicht erreichbar.
    »Du Ratte«, sagte sie leise, »du miese, eifersüchtige, neidische kleine Ratte! «
    Es war eigenartig, sie plötzlich nicht mehr schreien zu hören. Genau wie vorhin, als die Auseinandersetzung im Schuppen für Momente verstummt war, schwoll auch jetzt wieder das Gezwitscher der Vögel an. Doch plötzlich klang es bedrohlich. Der laue Frühlingsabend schien auf einmal an Wärme und Freundlichkeit verloren zu haben. Kälte stieg aus dem Gras auf. Frances fröstelte.
    »Ratte?« wiederholte sie fragend, als habe sie Schwierigkeiten, den Begriff zu verstehen.
    »Es macht dir doch immer wieder Spaß, mich zu demütigen!« Victoria wurde um keine Nuance lauter. »Weil ich soviel habe, was du nicht hast. Peter hat mich geküßt. Er war sehr leidenschaftlich. Ich habe in ihm geweckt, was du noch in keinem Mann hast wecken können.«
    Sie spürte den allerersten Anflug eines leichten Schwindels. »Ich gehe zurück ins Haus«, sagte sie. »Ich höre mir das nicht an.«
    Victoria folgte ihr ohne Hast. »Aber es geht gar nicht um Peter, habe ich recht?«
    »Ich höre dir nicht mehr zu, Victoria!« Sie trat in die Küche. Auf dem Herd brannte die Gemüsesuppe an. Sie achtete nicht darauf, durchquerte den Raum, gelangte in den Flur. Victoria folgte ihr auf dem Fuß, ein leiser, böser Schatten.
    »Was dich vergiftet, Frances, was dich über all die Jahre hin vergiftet hat, ist der Gedanke an John. Deshalb gönnst du mir nun auch Peter nicht.«
    Wie kommt sie bloß darauf? fragte sich Frances. Sie ist völlig neurotisch.
    »Weil du zum zweitenmal zusehen müßtest, wie ich etwas bekomme, was du nicht haben kannst.«
    »Spar dir den Unsinn.« Sie sah ins Eßzimmer, ins Wohnzimmer. Sie hoffte, auf Peter zu treffen. Wo war er? Hatte er Westhill Hals über Kopf verlassen?
    »Du hast es nie verwunden, daß ich ihn dir weggeschnappt habe. Du hast Alpträume bis heute. Du siehst mich immer noch in dem weißen Brautkleid. Und ihn daneben. Und er lächelt mich an.«
    Der Schwindel nahm zu. Hör auf, Victoria! Ich rate dir, hör auf!
    Langsam stieg sie die Treppe hinauf.
    »Es muß so schwer für dich gewesen sein. Es riß ja eine alte Wunde wieder auf. Vater hat mich mehr geliebt als dich. Und dann auch noch John. Es muß dich wahnsinnig gemacht haben, Frances, damals in jener Nacht. Du hast nicht eine Sekunde geschlafen, stimmt’s? Die ganze Zeit über hast du dir ausgemalt, was wir miteinander tun. Wie er meinen Körper berührt. Mit meinen Haaren spielt. Hast du dir vorgestellt, wie seine Hände meine Brüste umschließen? «
    Es ist so lange her. Ein ganzes Leben!
    Das Gift breitete sich langsam in ihr aus. Nach und nach floß es in jeden Winkel ihres Körpers. Die Überlegenheit, die sie im Garten der kreischenden Victoria gegenüber gespürt hatte, schwand. Warum war ihr nur so schwindelig? Das machte sie schwach vor dieser leisen, wütenden Person.
    »Manchmal frage ich mich, wie du es ertragen hast all die Jahre. Zu wissen, wie wir miteinander leben. Reden. Lachen. Wie er jede Nacht in mein Bett kommt! «
    »Peter!« rief Frances.
    Es überraschte sie, daß ihre Stimme noch so kräftig klang. Niemand antwortete. Sie schaute in alle Zimmer, zuletzt in seines. Nirgendwo war er zu entdecken. Aber vor seinem Bett standen noch ein Paar Schuhe, alte Schuhe von George, die Frances ihm gegeben hatte.
    »Er konnte sehr zärtlich sein«, sagte Victoria.
    Ihre Augen leuchteten. Sie sprach so sanft, als enthielten ihre Worte Honig, nicht Gift.
    Frances riß die Tür des Kleiderschrankes auf. Die Sachen, die er getragen hatte — ebenfalls von George — hingen noch da, aber er hätte sie wohl ohnehin nicht mitgenommen. Sie öffnete die zweite Schranktür. Ein paar Hemden, ein paar Pullover lagen sorgsam gefaltet in den Fächern. Ein Zeichen, daß er wiederkommen würde?
    »Ich glaube, seine Hände waren es, die mir am meisten gefielen«, sagte Victoria, »von Anfang an waren es die Hände, die mich...«
    Mit einem Schlag war der Schwindel verflogen. Es

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