Das Haus Der Schwestern
begehrt hast!«
»Kann sein, daß ich auf deine Beine geschaut habe. Du hast sehr schöne Beine, Victoria. Du bist überhaupt eine schöne Frau. Jeder Mann wird dich gern ansehen.«
»Du hast mir vorgegaukelt, daß du etwas für mich empfindest!«
»Ich habe nie etwas gesagt.«
»Ich habe es aber gemerkt!«
»Ach, Victoria, du redest dir doch jetzt etwas ein. Falls du diesen einen Abend meinst...«
»Im Oktober. Den meine ich.«
»Es tut mir leid, wenn ich dir da zu nahe getreten bin.«
»Du hast mich geküßt. Und zwar weiß Gott nicht so, wie ein Bruder seine Schwester küßt!«
»Du hast es darauf angelegt, und es ist passiert. In der darauffolgenden Zeit habe ich mich jedoch bemüht, den Eindruck, der dadurch vielleicht entstanden ist, zu korrigieren.«
Victoria lachte. Es war das schrille Lachen, mit dem sie am Nachmittag auch auf die Nachricht von der Geburt des kleinen Fernand reagiert hatte.
»Wie geschraubt du dich wieder einmal ausdrückst! Du hast dich bemüht, einen Eindruck zu korrigieren! Indem du mich Abend für Abend mit deinen Blicken fast ausgezogen hast, ja?«
»Das habe ich nicht getan.«
»Natürlich hast du es getan! Spiel doch jetzt nicht die Unschuld vom Lande! Du hast mich angestarrt und dabei gedacht: Wie nett wäre doch ein kleines Abenteuer mit Victoria! Wie gut wäre es doch, es mal wieder richtig mit einer Frau zu treiben! «
Frances draußen sog hörbar den Atem ein. Die prüde Victoria! Eine solche Ausdrucksweise paßte nicht zu ihr, verriet aber wohl etwas über den Grad ihrer Frustration.
»Was willst du von mir, Victoria«, fragte Peter. Er klang sehr sanft. Offenbar bemühte er sich, die Situation nicht eskalieren zu lassen.
»Was ich will? Ich will dir sagen, was für ein mieses Spiel du mit mir getrieben hast! Erst küßt du mich, küßt mich leidenschaftlich und wild, und jeden Abend schaust du mich an, als wolltest du am liebsten über mich herfallen, und ...«
»Victoria, du...«
».. und dann plötzlich bemerkst du etwas! Ja, du bemerkst die fette, häßliche Laura, die auf einmal gar nicht mehr so fett ist. Wie sie dich anhimmelt mit ihren verklärten Kuhaugen! Wie sie an deinen Lippen hängt! Wie sie dich bewundert für jedes noch so banale Wort, das du sagst. Wie sie plötzlich anfängt, mit ihrem dicken Hintern zu wackeln, wenn sie vor dir hergeht...«
»Das hat sie doch gar nicht getan!«
»Und du denkst dir: Aha, da ist ja noch eine Kandidatin! Sie ist zwar nicht so hübsch wie Victoria, aber dafür ist sie verflucht jung! Gerade mal sechzehn Jahre alt. Ein junges, unschuldiges Mädchen, das dir praktisch jede Minute des Tages deutlich zu verstehen gibt, daß es für dich nur zu bereitwillig die Beine breitmachen würde! «
»Großer Gott, Victoria!« murmelte Frances fassungslos.
»Nur weiter so, Victoria«, sagte Peter ruhig.
»Es hat dich gereizt, gib es doch zu! Es hat dich verdammt gereizt, sie irgendwo umzulegen und ihr auch noch in dieser Hinsicht zu beweisen, was für ein toller Mann du bist!«
»Aha. Und warum habe ich es dann nicht getan?«
»Weil du wußtest, daß dir Frances mit allen zehn Fingern ins Gesicht springen würde, wenn sie das mitbekäme! Das ist ja das Schlimme an dir, Peter: Du bist so ein schrecklicher Feigling! Du traust dich in Wahrheit nicht, deine schmutzigen Phantasien auszuleben!«
»War das jetzt alles?«
Seine Gelassenheit mußte sie auf die Palme treiben.
»Gib es zu!« fauchte sie. »Ich will, daß du es zugibst!«
»Ich gebe es nicht zu, weil es nicht stimmt. Aber ich will mit dir darüber auch nicht weiter streiten. Denke von mir, was du denken willst. Vielleicht können wir damit das Gespräch dann beenden?«
»Du bleibst hier!«
»Laß mich vorbei, Victoria. Ich möchte gehen.«
»Freiwillig laß ich dich nicht vorbei. Aber du kannst mich ja töten. Dafür seid ihr Deutschen schließlich berüchtigt!«
»Du kannst dir diese Versuche, mich zu provozieren, sparen, Victoria. Es wird dir nicht gelingen.«
Frances kam leise näher. Die Tür stand so, daß sie gegen Blicke aus dem Inneren des Schuppens abgeschirmt war.
» Kannst du dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich danach sehne, daß mir jemand hilft?« Victoria klang nun leise, gequält. »Mein Leben ist so grau, so trostlos! Wie ich dieses Haus hasse! Diese verdammte Schaffarm! Dieses karge Land! Soll ich denn hier noch sterben? «
»Victoria, ich glaube einfach, es geht dir heute sehr schlecht, weil...«
»Weil? Sprich es doch aus! Weil
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