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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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aber da auf schlechtes Benehmen unweigerlich das Verbot folgte, am Wochenende nach Hause zu fahren, bemühte sie sich schließlich doch um ein einigermaßen angemessenes Betragen. Sie bekam schließlich ein überraschend gutes Abschlußzeugnis. Alles, was sie dachte, war: Aus! Es ist vorbei! Jetzt werde ich endlich leben!
    Nach all den Jahren qualvollen Heimwehs hätte Westhill nun das Paradies für sie sein müssen. Aber irgend etwas hatte sich verändert — und es dauerte einige Wochen, ehe Frances begriff, daß sie nicht mehr dieselbe war. Unmerklich hatte sich während der vergangenen Jahre die Kindheit von ihr verabschiedet; unmerklich deshalb, weil sie sie in ihrer Sehnsucht und Traurigkeit wie einen Schatz gehütet und ihr Ende nie in Erwägung gezogen hatte. Nun fand sie das barfüßige Mädchen nicht mehr, das den Geschichten seiner Großmutter lauschte und auf den Pferden herumgaloppierte. Verwirrt stand sie vor der Erkenntnis, daß sie es versäumt hatte, sich auf den Lebensabschnitt vorzubereiten, der nun vor ihr lag. Der Mai mit seiner ungewöhnlichen Wärme schien eine einzige große Verheißung zu sein, und Frances’ Unruhe nahm noch zu.
    »Ich frage mich, wie es weitergeht mit mir«, sagte sie eines Morgens zu ihrer Mutter. Es war Freitag, der sechste Mai, ein Datum, dessen sie sich später aus vielerlei Gründen erinnern sollte. »Ich kann ja nicht für alle Zeiten daheim sitzen und nichts tun!«
    Ihre Mutter, Maureen Gray, war gerade damit beschäftigt, in ihrem Schlafzimmer nach den Klaviernoten zu kramen; jeden Moment mußte ihre Klavierlehrerin eintreffen, und sie wollte die Stücke vorher noch einmal spielen. »Schatz, das wird sich alles finden«, sagte sie etwas zerstreut, »warum genießt du nicht einfach erst einmal den Sommer?«
    »Wie denn? Es ist hier nichts los! Jeder Tag vergeht wie der andere! «
    »Aber als du noch in Richmond zur Schule gingst, hast du immer gesagt, wie sehr dir Westhill und das Leben hier fehlen. An den Wochenenden hast du gejammert, weil du lernen mußtest und nicht tun konntest, was du wolltest. Nun kannst du es. Du wolltest endlich wieder in einer blühenden Wiese liegen und in den Himmel sehen, du ...«
    »Mutter, das kann ich aber nicht den ganzen Tag über machen «, unterbrach Frances mit gereizter Stimme. »Es ist einfach... ich kann nicht da weitermachen, wo ich aufgehört habe. Ich bin nicht mehr zwölf! Ich bin siebzehn!«
    Maureen tauchte aus dem Schrank auf und strich sich über die Haare. Sie stand kurz vor ihrem 37. Geburtstag, hatte bereits vier Kinder geboren, von denen eines die ersten Wochen nicht überlebt hatte, und sah aus wie ein junges Mädchen. Frances, im Aussehen keltisch wie ihr Vater, beneidete ihre Mutter um deren honigblondes Haar und die bernsteinbraunen Augen. Maureens Farben trugen alle einen Goldton in sich, waren warm, sanft und harmonisch.
    Frances’ Farben hingegen waren kühl und herb. Nicht der Anflug eines rosigen Schimmers milderte das Weiß ihrer Haut, nicht eine einzige helle Strähne zog sich durch das tiefe Schwarz ihrer Haare. In Miss Parkers Schule hatten die Mädchen gesagt, sie sähe » interessant« aus. Das Wort »hübsch« war nie gefallen.
    » Übernächste Woche findet doch das Frühlingsfest bei den Leighs statt«, sagte Maureen nun. » Freust du dich nicht darauf?«
    »Doch. Aber ich kann doch nicht von einem Fest zum anderen tanzen. Das ist kein Lebensinhalt!«
    »Frances, es wird nicht lange dauern, und einer der jungen Männer aus der Umgebung hält um deine Hand an. Du wirst heiraten, du wirst Kinder haben, du wirst einen Haushalt führen. Du wirst dich ärgern, daß du dir diesen schönen Sommer mit Grübeleien verdorben hast, anstatt ihn richtig zu genießen. Wenn du nämlich deine eigene Familie hast, wird es nicht mehr viel Freizeit geben!«
    »Ich fühle mich viel zu jung, um zu heiraten und Kinder zu kriegen.«
    » Ich war auch siebzehn, als ich mein erstes Kind bekam!«
    »Das war zu deiner Zeit anders. Du warst anders. Ich kann mir im Moment einfach nicht vorstellen, mich für einen Menschen zu entscheiden, mit dem ich dann mein ganzes Leben verbringe!«
    Maureen seufzte. Frances wußte, daß nach Ansicht ihrer Mutter derartige Gespräche zu nichts führten. Sie war überzeugt, daß sich Frances plötzlich verlieben, ihre Meinung über Kinder und Ehe von einem Tag zum anderen umstoßen und gar nicht mehr verstehen würde, warum sie so lange Zeit unzufrieden gewesen war.
    »Wie steht es denn

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