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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Leigh«, bot sie an. »Wir sind Ihnen sehr dankbar, daß Sie extra herübergekommen sind.«
    Frances wußte, daß ihre Mutter vor allem darauf hoffte, draußen noch auf George und Alice zu treffen und mit ihnen sprechen zu können. Sosehr es Maureen bedauern mochte, daß der König tot war — schwerer wog an diesem Abend für sie das Zerwürfnis zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn.
    Es war sehr still im Zimmer, nachdem Maureen und John gegangen waren. Schließlich sagte Charles leise: »Der König ist tot... eine Ära ist zu Ende gegangen.«
    Er sah durch das Fenster in den warmen Abend hinaus. Eine Ahnung, daß sich die Zeiten dramatisch ändern würden, mochte ihm durch den Kopf gehen. König Edward hatte die letzte Verbindung zu jenem England dargestellt, in dem Charles Gray aufgewachsen war, das ihn geformt und sein Weltbild verkörpert hatte. In einer Zeit fortschreitender Liberalisierung, einer Zeit des Aufruhrs, der Klassenkämpfe, der lautstarken Kritik an vertrauten Traditionen war König Edward noch immer ein Teil der viktorianischen Epoche gewesen, hatte ihre Werte und Ideale verkörpert. Mit seinem Tod starb eine Ära. Was nun kommen würde, schien unsicher und bedrohlich.
    Charles griff nach seinem Weinglas. Seine Hand zitterte noch immer.
    »Gott schütze England«, sagte er.

    Es hatte lange gedauert, ehe Frances wirklich begriff, daß ihre Familie anders war als andere Familien, und warum das so war. Als Kind war ihr die Welt, in der sie aufwuchs, so vertraut und angenehm, daß sie nichts daran jemals in Zweifel gezogen hätte. Sie besaßen beileibe nicht so viel Geld wie die Leighs oder die Leute, die auf Daleview aus und ein gingen; aber sie hatten immer genug zu essen, hübsche Kleider zum Anziehen, ein großes, altes Haus, in dem sich alle wohl und geborgen fühlten. Manchmal betrachtete Frances Mrs. Leigh mit einer gewissen Ehrfurcht, denn sie trug stets wunderschöne Kleider, die nach der neuesten Mode gearbeitet und über und über mit Rüschen, Spitzen und Bändern verziert waren. Ihr Haar ließ sie sich jeden Morgen von einem Dienstmädchen sehr sorgfältig frisieren. Sie sprach mit leiser Stimme, saß stets mit einer Teetasse in der Hand oder mit einer Stickerei im Salon ihres Hauses und dirigierte eine ganze Schar von Dienstboten mit einer Strenge und Härte, die niemand dieser zarten Person mit dem feinen Stimmchen zugetraut hätte. Mrs. Leigh hatte häufig Migräne oder fühlte sich anderweitig unwohl, und dann durfte niemand im Haus ein lautes Wort sprechen — man mußte auf Zehenspitzen schleichen und alle Türen lautlos öffnen und schließen.
    Für Frances, die in einem Haus aufwuchs, in dem ständig drei Kinder die Treppe hinauf und hinunter und durch den Garten tobten, war das äußerst ungewohnt, und nachdem sie Mrs. Leigh mit all ihren Wehwehchen eine Zeitlang recht elegant gefunden hatte, begann sie doch ihre eigene Mutter wieder deutlich vorzuziehen.
    Maureen war nie krank gewesen, soweit sich ihre Kinder erinnern konnten, und nie saß sie mit blassem Gesicht und einer Teetasse in der Hand im Wohnzimmer herum. Sie trug wesentlich schlichtere Kleider als Mrs. Leigh und steckte sich die Haare am Morgen selber auf. Wenn sie in ihrem geliebten Garten arbeitete, sang sie oft mit ihrer kräftigen, etwas rauchigen Stimme irische Volkslieder. Es gab wenig, was sie ihren Kindern verbot; darüber hinaus ließ sie in einem solchen Fall jegliche Konsequenz vermissen und hob ihre Verbote auf, sowie die Kinder sie bedrängten.
    John Leigh, der einzige Sohn auf Daleview, hingegen führte ein sehr reglementiertes Leben, durfte dies nicht und das nicht, und jedes »Nein« seiner Mutter hatte die Bedeutung eines unumstößlichen Gesetzes. Zu irgendeinem Zeitpunkt hatte Frances nicht mehr die geringste Lust, mit ihm zu tauschen. Dennoch ging sie gern hinüber. Trotz der sechs Jahre, die zwischen ihnen lagen, gab es eine Zeit, in der sie viel miteinander spielten. Frances verehrte John, und wenn der es manchmal langweilig fand, seine Zeit mit einem kleinen Mädchen zu verbringen, so hatte er doch keine Wahl: Mit George Gray verstand er sich nicht besonders, und mit den Kindern aus Leigh’s Dale oder mit denen der Gutsarbeiter durfte er natürlich nicht spielen. Aber dann wurde Frances eines Tages Zeugin eines Gesprächs zwischen Mr. und Mrs. Leigh und erfuhr zum ersten Mal, daß man sie hier keineswegs als standesgemäß ansah.
    Sie war damals acht Jahre alt gewesen. John besuchte bereits ein

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