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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Internat, aber gerade waren die Ferien angebrochen. Sie wollte ihn sofort besuchen, aber er hatte keine Zeit und schickte sie nach ein paar ausgetauschten Höflichkeiten wieder fort. Gewohnheitsmäßig schlich sie die Treppe hinunter, denn man konnte nie wissen, ob Mrs. Leigh nicht gerade schlief oder wieder unter Kopfschmerzen litt. Als sie am Salon, dessen Tür einen Spaltbreit offenstand, vorbeikam, hörte sie ihren Namen. Neugierig blieb sie stehen.
    »Ich finde wirklich, die kleine Frances ist zu oft hier«, sagte Mrs. Leigh. Wie immer klang ihre Stimme lieblich, hatte aber einen nörgelnden Unterton.
    »Wir müssen das wirklich einschränken, Arthur.«
    »Es ist doch nur für die Ferien! Danach ...«
    »Die Ferien sind lang.«
    »Wie soll ich das denn machen?« fragte Arthur. »Ich kann doch nicht die Enkelin von Lord Gray ...«
    »Du darfst sie nicht direkt als seine Enkelin sehen. Schließlich hat er sich von der Familie dieses Sohnes völlig distanziert.«
    »Deshalb bleibt Frances doch seine Enkelin. Sie ist kein einfaches Bauernmädchen oder so etwas!«
    Eine Teetasse klirrte leise. Mrs. Leigh schien sie etwas heftiger abgestellt zu haben als gewöhnlich. »Sie ist ein halbes Bauernmädchen, Arthur, darüber müssen wir uns im klaren sein. Mein Gott, ich werde es einfach nie begreifen, wie Charles Gray sich soweit vergessen konnte, dieses kleine irische Ding zu heiraten! Ich frage mich einfach, was er an dieser Frau findet! «
    Arthur Leigh, den die ewigen Kopfschmerzen seiner Frau längst in die Arme und das Bett einer üppigen blonden Bürgersfrau aus Hawes getrieben hatten — die halbe Grafschaft wußte davon, und auch Frances erfuhr es später —, hatte wohl durchaus ein gewisses Verständnis für die Gründe, die Charles Gray an die sinnliche, lebensfrohe Maureen Lancey aus Dublin geschmiedet hatten, wenn er wohl auch nicht begriff, weshalb Charles nicht ein ähnliches Arrangement getroffen hatte wie er selbst — und wie es durchaus auch in allerhöchsten Kreisen üblich war: Daheim hatte man die vornehme Gattin aus guter Familie und mit untadeligem Ruf, aber für all die besonderen Bedürfnisse, die ein Mann dann und wann hatte und die seine Ehefrau nur schockiert hätten, unterhielt man eine kleine amouröse Geschichte nebenher. Man ging mit den Mädchen der unteren Klassen ins Bett, aber niemals heiratete man sie. Charles Gray mochte durchaus ehrenhaft gehandelt haben, in den Augen seinesgleichen war er jedoch einfach ein Trottel.
    Arthur klang recht unbehaglich. »Das ist eine schwierige Situation. Ich kann nicht einfach zu Charles Gray gehen und ihm sagen, daß seine Kinder nicht mehr mit meinem Sohn verkehren dürfen! «
    »So direkt können wir es natürlich nicht ausdrücken. Aber wir werden den Kontakt mehr und mehr einschränken, indem wir Ausreden benutzen, bis sie es begriffen haben. Und sie werden es begreifen.« Sie hatte die Unnachgiebigkeit in der Stimme, mit der sie schon viele Leute, die sie zunächst unterschätzten, überrascht hatte. Es wirkte fast ein wenig gehässig, als sie hinzufügte: »Wegen dieser Mesalliance wird Gray sein Leben lang unangenehme Konsequenzen tragen müssen. Wir und unsere Familie, Arthur, sind nicht dazu da, sie ihm zu erleichtern.«
    »Sicher, Liebes«, meinte Arthur bedrückt, und das nachfolgende Klirren von Eiswürfeln, die in ein Glas fielen, verriet, daß er nach diesem Gespräch einen Drink brauchte.
    Frances lief die Treppe hinunter und rannte den ganzen Weg bis nach Hause. Einmal fiel sie hin und schlug sich das Knie blutig, aber sie rappelte sich sofort wieder auf und beachtete den Schmerz kaum. Daheim stürmte sie ins Haus und rief sofort nach ihrer Mutter.
    Sie fand ihre Eltern im Wohnzimmer, wo sie Hand in Hand am Fenster standen und einander ansahen. Das Licht der Abendsonne fiel als breiter, glühendroter Streifen durch die Scheiben und beleuchtete Charles’ Gesicht. Frances, so klein und unerfahren sie war, begriff den Ausdruck in seinen Zügen. Voller Zärtlichkeit und Hingabe betrachtete er seine Frau.
    »Mutter!« Sie wußte nicht, daß das Blut von ihrem aufgeschlagenen Knie durch den Stoff ihres Kleides drang und daß Erdspuren auf ihren Wangen verliefen.
    »Mutter, werde ich nie mehr mit John spielen dürfen?«
    Maureen und Charles schraken zusammen und starrten ihre Tochter an. Maureen stieß einen Schreckenslaut aus. »Was hast du denn gemacht? Du bist ja ganz dreckig im Gesicht! Und was ist das da? Blut?«
    »Ich bin

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