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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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überzeugt, er sei tot, schrie auf. Schon stürzten ein paar Polizisten auf sie zu und packten sie. Der eine drehte ihr den Arm auf den Rücken, so daß sie erneut schrie, diesmal vor Schmerz. Er rammte ihr sein Knie ins Kreuz, und sie kippte nach vorn. Ein anderer packte sie an den Haaren und riß ihr dabei so ruckartig den Kopf zur Seite, daß ihr die Tränen in die Augen schossen. Der dritte baute sich vor ihr auf, und sie erkannte, daß er drauf und dran war, sie zu ohrfeigen; vergeblich versuchte sie, sich zu ducken. Ein vierter Polizist hielt ihn fest. »Nicht. Laß sie! «
    »Sie hat ihn umgebracht! Sie hat Billy umgebracht! «
    »Trotzdem. Es reicht. Über sie soll der Richter entscheiden.«
    Der Mann, der Frances’ Arm auf den Rücken gedreht hatte, ließ sie los, ebenso der, der sie an den Haaren festhielt. Frances kauerte sich auf der regennassen Straße zusammen, den mißhandelten Arm eng an sich gedrückt. Ihre Schulter schmerzte höllisch, und sie fragte sich, ob man sie ihr ausgekugelt hatte. Der Polizist, der sie vor den Mißhandlungen seiner Kollegen in Schutz genommen hatte, beugte sich zu ihr herab. »Stehen Sie bitte auf, Miss. Sie sind verhaftet.«
    Er half ihr auf die Füße. Schmerzpfeile schossen durch ihren Arm. Sie sah den Mann auf der Straße liegen; einige Kameraden bemühten sich um ihn, und Panik überflutete sie, als ihr klar wurde, was man ihr vorwarf. »Ich war es nicht«, sagte sie, » ich war es wirklich nicht.«
    »Das wird sich alles finden. Sie kommen jetzt mit mir.«
    Schmerzgepeinigt, wie sie war, fand sie keine Kraft mehr, sich zu wehren. Er zog sie mit sich fort, und später wußte sie, daß sie Glück gehabt hatte, weil zumindest er keine Gewalt anwandte.
    Als sich die hohen Gefängnistore hinter ihnen beiden schlossen, sagte sie noch einmal mit schwacher Stimme: »Ich war es nicht! «
    Sie hatte nicht den Eindruck, daß ihr jemand glaubte.

    Sie wurde in eine Zelle gesperrt, in der schon vier andere Frauen saßen. Der Raum war etwa fünf Schritte lang und ebenso breit; es gab gegenüber der Zellentür ein kleines, vergittertes Fenster, das direkt unter der Decke lag und aus dem man nur hätte hinaussehen können, wenn man auf einen Stuhl oder eine Kiste gestiegen wäre. Die Wände waren aus roten Ziegelsteinen gemauert, der Boden bestand aus kaltem Zement. Es gab nur vier Betten, jeweils zwei doppelstöckig übereinander, mit dünnen, durchgelegenen Matratzen und zerschlissenen Wolldecken, denen man ansah, daß sie bretthart und kratzig waren. In einer Ecke stand ein Eimer.
    Die anderen vier Frauen sahen ebenso abgekämpft, durchnäßt und verzweifelt aus wie Frances. Immerhin schien keine von ihnen ernsthaft verletzt zu sein; nur eine hielt sich den Magen, stöhnte leise und sagte, sie müsse sich jeden Moment übergeben, und es tue ihr leid, dies den anderen zumuten zu müssen. Eine hochgewachsene Frau mit grauen Haaren und einem energischen Gesicht trat auf Frances, die gleich hinter der Tür stehengeblieben war, zu.
    » Ich heiße Carolyn «, sagte sie. » Ich bin Krankenschwester. Darf ich mir Ihren Arm ansehen? Sie scheinen starke Schmerzen zu haben.«
    » Ja «, sagte Frances so heiser, daß man sie kaum verstehen konnte. Sie räusperte sich. » Ja «, wiederholte sie, » es tut furchtbar weh.«
    »Ziehen Sie Ihren Mantel aus«, bat Carolyn. »Vorsichtig! Ja. Ganz langsam! «
    Der nasse Mantel fiel zu Boden.
    »Öffnen Sie Ihr Kleid«, fuhr Carolyn fort.
    Frances zögerte. Aber sie wußte, daß für Schamhaftigkeit kein Platz war angesichts ihrer Lage. Carolyn streifte ihr den Stoff von den Schultern.
    » Ausgekugelt ist er nicht«, sagte sie, nachdem sie das Gelenk abgetastet und den Arm vorsichtig hin und her bewegt hatte. »Er ist nur verrenkt. Es wird noch eine Weile weh tun, aber es kommt wieder in Ordnung.«
    »Vielen Dank«, flüsterte Frances und zog sich wieder an. Der nasse Stoff des Kleides klebte kalt und schwer an ihrem Körper, und sie bemerkte erst jetzt, daß auch ihre knöchelhohen Lederstiefel völlig durchweicht waren und ihre Füße sich wie Eisklumpen anfühlten. Angstvoll fragte sie sich, was aus ihrer Erkältung werden würde, wenn sie nicht bald in trockene Sachen kam. Da das Frieren, die Kopfschmerzen, das Fieber unmittelbare Wirklichkeit waren, beschäftigten sie die von dort drohenden Gefahren weit mehr als die Probleme, die auf sie zukommen würden, wenn man sie weiterhin für die Steinwerferin hielt. Ihr drohte eine Anklage wegen

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