Das Haus Der Schwestern
schwerer Körperverletzung oder sogar - falls der Polizist tot war oder später starb - wegen Totschlags.
»Wie heißen Sie?« fragte Carolyn. Sie hatte Frances’ klatschnassen Mantel aufgehoben und hängte ihn an einen der oberen Bettpfosten zum Trocknen, neben die Mäntel der anderen Frauen.
»Frances Gray«, antwortete sie.
Carolyn musterte sie besorgt. »Sie haben Fieber. Ich sehe das an Ihren Augen.« Sie legte ihr die Hand auf die Stirn und nickte. » Ja. Sie sind krank. «
Eine andere Frau trat vor. Sie war jung und attraktiv; ihr Kleid, obwohl natürlich naß und zerdrückt, verriet einen erstklassigen Schneider. Wie sich herausstellte, hieß sie Pamela Cooper und war die Tochter eines Professors aus Oxford.
»Ich habe jetzt schon dreimal nach trockener Kleidung gefragt«, sagte sie. Ihre Stimme bebte vor kaum noch zu unterdrückender Wut. »Es ist unmöglich, was sie hier mit uns machen. Sie haben kein Recht, uns einzusperren, aber noch weniger dürfen sie uns mißhandeln!«
Sie begann an der Gittertür zu rütteln und zu schreien. » Verdammt noch mal, läßt sich denn keiner hier blicken? Ich möchte, daß sofort jemand herkommt!«
Eine Aufseherin erschien schließlich, eine derbe Person mit dem Schatten eines Bartes über der Oberlippe. » Schreien Sie nicht so herum«, wies sie Pamela scharf zurecht. »Sie sind hier nicht im Hotel, und ich bin nicht dazu da, nach Ihrer Pfeife zu tanzen!«
Pamela achtete nicht auf ihre Worte. »Ich werde mich beschweren«, sagte sie, »wenn wir nicht sofort trockene Sachen zum Wechseln und weitere Decken bekommen. Diese Dame hier«, sie wies auf Frances, »hat Fieber. Sie ist schwer erkältet, und wenn sie ernsthaft erkrankt, werden wir Sie zur Rechenschaft ziehen, und das wird unangenehm für Sie werden, das kann ich Ihnen versprechen!«
»So?« Die Aufseherin war nicht so leicht einzuschüchtern. » Offenbar ist sie gesund genug, sich bei diesem Wetter auf der Straße herumzutreiben und zu randalieren. Wer hat ihr denn gesagt, sie soll das machen? Habe ich das etwa gesagt? Das ist ja noch schöner, daß ich jetzt verantwortlich gemacht werden soll für euren Blödsinn!«
»Wir möchten trockene Kleidung«, beharrte Pamela, » und Decken. Und zwar sofort! «
Die Aufseherin schüttelte den Kopf und verschwand, aber Pamela begann sofort wieder an den Gitterstäben zu rütteln und zu brüllen. Sie erreichte es schließlich immerhin, daß ihnen nach einer Stunde zäher Verhandlung mit der Aufseherin fünf weitere Wolldecken in die Zelle gebracht wurden. Um ihre nasse Kleidung kümmerte sich niemand.
» In einer halben Stunde geht das Licht aus «, sagte die Aufseherin, »ihr solltet machen, daß ihr in die Betten kommt.«
Pamela ging sofort wieder in die Offensive. »Wir haben hier vier Betten! Und wir sind fünf Frauen, wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist. Wir brauchen ein weiteres Bett! «
Die Augen der Aufseherin blitzten höhnisch. »Ihr seid doch so gute Kameradinnen! Zweien von euch wird es wohl möglich sein, in einem Bett zu schlafen, oder?« Sie verschwand mit einem bösen Lächeln.
»Hexe!« rief Pamela ihr nach. Ihre Stimme war heiser vom Schreien. » Ich fürchte, wir erreichen heute nichts mehr. Wir sollten wirklich im Bett sein, ehe das Licht ausgeht.«
Sie beratschlagten, wie sie sich am besten verteilen würden. Lucy, eine ziemlich dicke Frau, sollte ein Bett für sich bekommen, ebenso Frances, weil sie krank war und jemanden anstecken konnte. Carolyn durfte auch allein schlafen, und Pamela tat sich mit der fünften im Bunde, einer jungen Frau namens Helen, zusammen. Helen stammte ebenfalls aus Oxford, und sie und Pamela kannten einander schon länger, ohne allerdings wirklich befreundet zu sein.
»Ich hoffe nur, es gibt hier keine Flöhe und Wanzen«, sagte Pamela. Skeptisch betrachtete sie ihre Schlafstätte. »O Gott, ich habe bestimmt noch nie in einem so furchtbaren Bett gelegen! «
Die Frauen entledigten sich ihrer nassen Kleider, ein umständliches Unterfangen in der engen Zelle, und hängten sie dann, so gut es eben ging, zum Trocknen auf. Nacheinander benutzten sie den Eimer in der Ecke, für jede von ihnen eine schreckliche Überwindung. In ihren klammen Unterkleidern legten sie sich in die Betten und zogen ihre zwei Wolldecken über sich, die sie jedoch kaum gegen die Kälte schützen konnten. Die nackte elektrische Birne, die an der Decke hing und ihnen Licht gespendet hatte, erlosch. Die Zelle lag in völlige Finsternis
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