Das Haus Der Schwestern
ist alles noch nicht so sicher«, sagte sie, nachdem die Tasse leer war und sie sich nicht länger dahinter verstecken konnte. »Es wäre mir lieb, wenn du es für dich behieltest, Tante Margaret!«
»Ich schweige wie ein Grab«, versicherte Margaret sofort, »darauf kannst du dich verlassen!«
Frances seufzte. Wenn sie sich auf etwas verlassen konnte, dann darauf, daß Margaret nicht schweigen würde.
»Ich bin so stolz, daß ihr einander in meinem Haus begegnet seid«, fuhr Margaret fort. »Ich bin sozusagen die Ehestifterin, nicht wahr? Nach all den schrecklichen Ereignissen ... endlich etwas, worüber man sich freuen kann!«
»Ich...«, setzte Frances beklommen an, doch Margaret winkte ab.
»Du mußt mir doch nichts erklären! Ich freue mich, daß du wieder aufblühst durch ihn!«
Schuldbewußt dachte Frances, daß dem tatsächlich so war, daß aber die Zusammenhänge anders lagen, als er und Margaret dachten. Beide glaubten, es sei Phillips Liebe, die sie aus ihren Depressionen gerissen habe, jedoch war die Sache komplizierter: Phillip hatte sich angewöhnt, in endlosen Monologen ihrer beider tragische Geschichte in der Vergangenheit zu beschwören, wobei er sie beide als zwei einsame Kinder zeichnete, Opfer einer feindseligen Umwelt, Schiffbrüchige, die sich aneinander festklammerten, um gemeinsam zu überleben.
Frances, die dieses Bild von sich zunehmend haßte, hatte ihn einmal angefahren: »Hör doch auf mit dem Unsinn! Du kannst uns doch gar nicht miteinander vergleichen!«
Er hatte sie völlig verstört angesehen. »Ich meinte doch nur ...«
»Ich will einfach davon nichts hören«, unterbrach Frances ihn mißgelaunt, und sie sah ihm an, daß er sich Vorwürfe machte, sie an etwas erinnert zu haben, was sie offenbar vergessen wollte.
Paradoxerweise war ihm aber eines tatsächlich gelungen: Er hatte sie aufgerüttelt. Indem er ständig betonte, sie sei wie er, packte er sie bei ihrem Ehrgeiz, um keinen Preis so sein zu wollen. War sie nicht gefährlich dicht daran gewesen, ein solcher Trauerkloß zu werden wie er? Geschockt, freudlos, voller Angst vor der Welt und den in ihr verborgenen Gefahren?
Sie wollte nicht mit dem Gesichtsausdruck eines verschüchterten Kindes durchs Leben laufen. Sie wollte nicht am Fenster stehend ihre Tage verbringen, hinausstarrend, grübelnd, wartend auf etwas, das nicht kam. Sie wollte es nicht, und sie würde es nicht zulassen. Sie kämpfte mit aller Kraft gegen die dunkle Macht, die sie hatte umklammern wollen, und mit jedem Tag schüttelte sie ein kleines Stück mehr von ihr ab.
Aber mit Phillip trieb sie ein böses Spiel, das war ihr klar. Sie wußte um seine Gefühle; es war ihre Pflicht, ihm reinen Wein einzuschenken, was ihre Gefühle anging.
Nach dem Gespräch mit Margaret unternahm sie zwei Anläufe, eine Aussprache herbeizuführen; aber jedesmal sah sie, wie er sich mit seinen Blicken an ihr festklammerte, und jedesmal brach sie das Gespräch ab, ehe es wirklich begonnen hatte, weil sie sich wie ein Ungeheuer vorkam. Nachts lag sie oft wach und verfluchte jene schwache Stunde, in der sie mit ihm ins Bett gegangen war — es hatte ihr nichts gebracht, sie aber in eine Zwangslage manövriert, denn irgendwie mußte sie Phillip klarmachen, daß ihre Hingabe nicht gleichbedeutend gewesen war mit einem Eheversprechen.
Sie war genug Kind ihrer Zeit, daß ihr der Gedanke, eine solche Frivolität auszusprechen, brennende Röte in die Wangen trieb. Eine Frau erlaubte sich keinerlei Intimitäten mit einem Mann, ehe sie nicht verheiratet war mit ihm, und wenn sie es doch tat, heiratete sie ihn wenigstens danach so schnell wie möglich. In jedem Fall landete sie nicht im Bett eines Mannes, den sie überhaupt nicht liebte, und ließ seine Berührungen nüchtern und mit kühlem Kopf über sich ergehen. Für das, was sie getan hatte, wäre heftige Leidenschaft die einzig akzeptable Entschuldigung gewesen, und beim besten Willen konnte sich Frances nicht ernsthaft einreden, auch nur einen Funken von Leidenschaft verspürt zu haben. Wie seinerzeit im Gefängnis, als sie staunend beobachtet hatte, mit welch fanatischer Hingabe Pamela ihre Ziele verfolgte, fragte sie sich auch jetzt manchmal etwas befremdet, weshalb sie selbst nicht fähig war, durchdrungen zu sein von einem Gefühl, getragen von einer rauschhaften Kraft. Was immer sie tat, stets hatte sie den Eindruck, ein Teil ihrer selbst stehe daneben, und analysiere sie und ihr Tun mit kühlem Verstand und einem
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