Das Haus Der Schwestern
vierzig hört man endgültig auf zu hoffen, daß sich die Dinge von selbst zum Besseren wenden. Man begreift, daß nichts besser wird und daß einem die Zeit mit Riesenschritten davonläuft, während man auf ein Wunder wartet.«
»So schlecht leben wir nun auch nicht zusammen.«
»Vielleicht empfindest du es nicht so. Ich bin nicht glücklich mit einer Frau, die ich höchstens zweimal am Tag sehe, und das auch nur im Vorbeirennen. Ich träume von einem Familienleben. Von Kindern. Und ich will kein uralter Vater sein. Ich habe das Gefühl... wenn ich jetzt nicht an mich und meine Wünsche denke, wird es zu spät sein.«
Etwas Kaltes, Dunkles kroch in Barbara hoch, etwas, das sie schaudern ließ.
»Du würdest dich von mir trennen?« fragte sie leise.
Er hob die Hände in einer hilflosen Geste, ließ sie wieder sinken. »Ich bin einfach nicht glücklich«, sagte er schlicht.
»Aber ...«
»Nichts aber! Versuche jetzt nicht, unsere Situation zu beschönigen, Barbara. Schau dich doch an, du weichst förmlich vor mir zurück. Du hältst eine Distanz, die mich frösteln läßt. Du hast seit über einem Jahr nicht mehr mit mir geschlafen. Kannst du dir wirklich nicht vorstellen, daß ich frustriert bin, einsam — und auch ziemlich verletzt? «
Sie konnte es sich vorstellen. Natürlich. Glaubte er, sie sei ein Stück Holz, empfindungslos und stumpf? Sie verstand, was er fühlte, aber sie war nicht sicher, ob sie etwas ändern konnte.
Sie schwiegen eine Weile, sahen aneinander vorbei und wußten beide, daß es nichts zu sagen gab, was die Grausamkeit der Erkenntnis, daß sie eine Entscheidung nicht mehr lange würden aufschieben können, mildern konnte. Das Schlagen der Standuhr im Wohnzimmer ließ sie beide zusammenfahren.
»Mitternacht«, sagte Barbara.
Sie wartete, bis der zwölfte Schlag verhallte. Sie konnte nicht einfach stehenbleiben, wo sie war. Es war Ralphs vierzigster Geburtstag. Der 27. Dezember. Sie konnte nicht so tun, als wäre nichts .
Sie trat zu ihm hin und legte beide Arme um ihn. »Alles Gute«, sagte sie leise, dicht an seinem Gesicht, »wirklich, von ganzem Herzen alles Gute!«
Seine Hände legten sich, zögernd erst, dann mit wachsender Sicherheit, um ihre Taille. Er zog sie näher an sich heran. Seine Lippen suchten die ihren, aber rasch preßte sie das Gesicht an seine Schulter, so daß sie einander nicht berühren konnten.
»Bleib bei mir heute nacht«, flüsterte er in ihrem Haar, »bitte, bleib heute nacht bei mir.«
Sein Körper fühlte sich vertraut an — und gleichzeitig wie etwas, das aus einer anderen Zeit stammte. Es war so lange her. Sie merkte, wie ihr eigener Körper reagierte, ohne daß sie es wollte. Ihr Verstand schaltete sich blitzschnell ein, ehe sie hätte schwach werden können. Es hätte ihr vielleicht Spaß gemacht, mit ihm zu schlafen, aber das barg zu viele Konsequenzen, die erst gründlich überdacht werden mußten.
»Es geht nicht«, murmelte sie, »ich kann das jetzt einfach nicht.«
Statt einer Antwort preßte er sie noch enger an sich. Seine Hände glitten hinunter zu ihren Hüften. Sein Atem ging rascher. Als sie spürte, wie erregt er war, wie fordernd er plötzlich zupackte, machte sie sich mit einer heftigen Bewegung frei und trat einen Schritt zurück.
»Laß mich los!« fauchte sie ihn an, Panik in der Stimme, weil sie fürchtete, er oder sie oder am Ende sie beide könnten die Kontrolle über die Situation verlieren.
In seinen Augen, seinen Gesichtszügen konnte sie noch erkennen, wie sehr er sie begehrte, ehe Betroffenheit und Ärger die Oberhand gewannen.
»Lieber Himmel, was ist denn?« fragte er wütend. »Tu doch nicht so, als hätte ich versucht, dich zu vergewaltigen!«
»Wir sollten erst einmal ...«, begann Barbara, aber Ralph unterbrach sie sofort.
»Laß mich bitte damit in Frieden! Wenn du erst einmal unsere Beziehung diskutieren, eine Grundsatzdebatte anstrengen oder mir ein paar feministische Verhaltensmaßregeln an den Kopf werfen willst, so nimm bitte zur Kenntnis, daß mir danach im Moment nicht im geringsten zumute ist! Ich wollte einfach mit dir schlafen, nicht mehr und nicht weniger. Für alles andere bin ich zu müde und zu genervt! «
»Du hast selber vorhin von unserer Beziehung und unserer Zukunft angefangen! «
»Richtig. Aber ich dachte nicht unbedingt an eine Diskussion. Es gibt ja noch andere Möglichkeiten, mit denen du mir zeigen könntest, ob dir noch etwas an mir liegt oder nicht. Allerdings muß ich zugeben:
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