Das Haus Der Schwestern
Du hast es mir gezeigt. Dein Verhalten ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.«
»Weißt du, was wirklich ärgerlich ist?« fragte Barbara zornig. »Daß man im Leben immer wieder darauf gestoßen wird, daß die lächerlichsten Klischees einen verdammt hohen Wahrheitsgehalt haben. Ich habe mich immer geweigert zu glauben, daß die meisten Männer tatsächlich denken, alle Probleme seien am besten im Bett zu lösen. Ich muß sagen, du machst es mir ziemlich schwer, meine immerhin noch einigermaßen gute Meinung von den Männern aufrechtzuerhalten! «
»Ich bin keineswegs der Ansicht, daß sich alle Probleme im Bett lösen lassen«, entgegnete Ralph, wütend, weil es ihr gelungen war, ihn in die Defensive zu drängen. »Ich dachte nur, es könnte einer Beziehung guttun, wenn man wenigstens einmal im Jahr die körperliche Nähe des anderen sucht. Aber in deinen Augen hat das vermutlich etwas mit Sexismus zu tun oder mit Unterdrückung oder dient der Manifestation männlicher Herrschaftsgelüste oder etwas Ähnliches! «
»Es ist erstaunlich«, sagte Barbara kühl, »wieviel Unsinn ein intelligenter Mann reden kann, wenn eine Frau ihn nicht hat zum Zuge kommen lassen. Ihr benehmt euch wie kleine Kinder, die mit dem Fuß aufstampfen, weil man ihnen ihr Lieblingsspielzeug nicht gibt!«
Sie sah, daß er blaß wurde.
»Ich gehe lieber«, sagte er dann, »ehe ich irgend etwas sage oder tue, was mir nachher leid tut. Gute Nacht! « Mit drei Schritten war er aus der Küche hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
»Lauf nicht einfach weg, wenn ich mit dir rede!« schrie Barbara, aber sie vernahm schon seine Schritte auf der Treppe und hörte dann, wie oben die Tür seines Schlafzimmers ebenso heftig ins Schloß flog wie zuvor die Küchentür.
Jede Wette, daß er den Schlüssel zweimal herumdrehte!
»Wir könnten vielleicht nach London fahren und ein wenig bummeln gehen«, schlug Laura vor, nachdem sie eine ganze Weile am Küchenfenster gestanden und hinausgesehen hatte. »Das schöne Wetter scheint anzuhalten.«
»Schönes Wetter!« brummte Marjorie. »Es sieht ziemlich kalt aus, muß ich sagen!«
»Aber es ist trocken.«
Der seit Tagen andauernde Regen hatte über Nacht tatsächlich aufgehört. Ein rauher Wind jagte ein paar Wolken über den blauen Himmel und pfiff zwischen den Häusern hindurch. In zahllosen Pfützen spiegelte sich eine kalte, blasse Sonne.
»Wenn wir uns richtig warm anziehen ...«, meinte Laura, war innerlich aber bereits auf dem Rückzug. Ihr war klar, daß sich ihre Schwester, die mit mißmutiger Miene am Frühstückstisch saß, zu keiner Unternehmung aufraffen würde.
»Wozu überhaupt?« fragte Marjorie. »Bummeln gehen! Ich habe kein Geld übrig, das ich verplempern könnte, und du auch nicht. Wozu also?«
Laura seufzte. Mit mechanischen Bewegungen stellte sie einen Topf mit Wasser auf den Herd und löffelte Teeblätter in ein Sieb. Wenn sie sowieso nicht fortgingen, konnte sie ruhig noch ein paar Tassen Tee trinken; schließlich war es dann kein Problem, wenn sie ständig zur Toilette mußte.
»Ich verstehe dich nicht ganz, Marjorie«, sagte sie. »Immerzu erzählst du mir, ich müßte doch versauern da oben in Yorkshire. Aber wenn ich dann hier bin und mit dir nach London möchte, hast du keine Lust. Du hast zu gar nichts Lust! Ich finde, du versauerst viel mehr als ich. Ich habe immerhin ab und zu Kontakt zu den Nachbarn, auch wenn sie alle weit weg sind, und zu den Leuten von Leigh’s Dale. Aber du ...«
»Ich sage ja gar nicht, daß du zu wenig Kontakt hast. Man kann gar nicht wenig genug Kontakt haben, so schlecht, wie die Menschen sind!«
Laura dachte, daß es schon einer Menge Widerstandskraft bedurfte, sich von Marjories fortwährendem Pessimismus nicht gänzlich zu Boden drücken zu lassen.
»Ich könnte es nur einfach in diesem schrecklichen Haus nicht aushalten«, fuhr Marjorie fort. »Ich kann nicht vergessen, wie gräßlich es damals war. Ich würde mich dort ständig bedrückt fühlen.«
Na, so strahlender Laune bist du hier aber auch nicht, dachte Laura. Laut sagte sie: »Das ist wahrscheinlich der Unterschied. Ich fand es dort nie gräßlich. Ich hatte das Gefühl, eine Heimat gefunden zu haben. Ich habe nie verstanden, warum du Westhill nicht mochtest! «
»Es war gräßlich«, beharrte Marjorie. »Diese ganzen Weiber. Diese zwei haßerfüllten Schwestern ...«
»Haßerfüllt waren sie nicht. Sie konnten einander nicht besonders gut leiden, aber
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