Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
haben, würde man doch glauben, dass sie zumindest jeden Einzelnen im Auge behalten wollen.«
»Nicht, wenn man keine offiziellen Aufzeichnungen darüber haben will, was man tut«, berichtigte JC. »Melody, meine Liebe, ich habe nachgedacht.«
»Oh, das ist immer gefährlich«, warf Happy ein.
»Ich habe mich gefragt, ob es etwas gibt, das du versuchen könntest, ohne dein famoses, aber unglücklicherweise nicht vorhandenes Equipment in Anspruch zu nehmen.«
»Naja«, sagte Melody widerwillig. »Da ist etwas, was ich schon überlegt habe. Tonbandstimmen. Ich wäre vielleicht in der Lage, etwas aus meinem Handy und einem der Zimmercomputer zusammenzubasteln. Gib mir mal eine Minute.«
Sie schoss in Raum drei zurück. Die anderen stellten sich in den Türrahmen, weil Melody es nicht mochte, wenn man ihr beim Arbeiten zu nahe rückte, und durchaus in der Lage war, das mit plötzlichen Ellbogenstößen oder anderen Gewalttaten zu unterstreichen. Sie nahm den Computer mit brutaler Gründlichkeit auseinander, wühlte sich durch sein Innenleben und verband einiges daraus mit ihrem Handy. JC beugte sich zu Happy und flüsterte ihm ins Ohr. »Hast du irgendeine Ahnung, was sie da macht?«
»Nicht die geringste«, gab Happy zurück.
»Ich kann euch hören!«, rief Melody und sah nicht einmal von ihrem Tun auf. »Und es ist wirklich ganz einfach.«
»Oh Gott, erklär es bloß nicht!«, schrie Happy. »Jedes Mal, wenn sie versucht, mir etwas Wissenschaftliches zu erklären, endet es damit, dass ich eine Woche dissoziativ taub bin! Reiner Selbstschutz!«
»Ich bin von Ludditen umgeben«, knurrte Melody und arbeitete lustig weiter. »Und noch dazu von solchen, die Krach machen.«
»Was sind Ludditen?«, fragte Kim. »Das klingt irgendwie kuschlig.«
»Bin ich die Einzige, die in der Schule aufgepasst hat?«, fragte Melody.
»Wahrscheinlich«, antwortete JC. »Du Streberin! Du könntest bei der Freak-Olympiade antreten.«
»Und Entschuldigung, dass ich tot bin!«, fügte Kim hinzu. »Man kann nun mal nicht alles studieren. Ich habe dafür Extra-Schauspielklassen belegt. Und Ikebana.«
»Stell dir meine Überraschung vor«, murmelte Happy.
Melody hob das Handy ans Ohr und lauschte.
»Kannst du das Meer hören?« Happy wollte nur helfen.
»Hau du ihm eine rein, JC, ich bin beschäftigt«, sagte Melody. »Wartet mal, ich kriege da was. Ich kann Stimmen hören.«
»Was ist daran so merkwürdig?«, fragte Kim. »Das ist ein Telefon.«
»Aber ich habe doch gar keine Nummer gewählt«, sagte Melody. »Ich höre ganz sicher Stimmen, aber sie sind zu weit entfernt, um sie zu verstehen. Stimmen, im System. Sind die vielleicht immer da, hinter unseren täglichen Telefonaten? Hinter all den Millionen Anrufen und Gesprächen?«
Sie fummelte ein wenig an den offenliegenden Teilen des Computers herum, und plötzlich drang das, was sie hörte, aus den Lautsprechern. Ein Geräusch wie nie enden wollender Wind, seltsame Hintergrundgeräusche wie der Gesang wahnsinniger Buckelwale, das rasende Gesumm von Millionen wütender Insekten. Und dann drängten sich langsam menschliche Stimmen in den Vordergrund und schälten sich aus dem Hintergrundrauschen heraus. Menschliche Stimmen, aber so weit entfernt, als ob sie eine unfasslich große Entfernung überbrücken müssten, um das Diesseits zu erreichen. Es war nicht einmal zu erkennen, welche Sprache sie benutzten.
»Mir kam gerade ein enervierender Gedanke«, sagte Happy. »Könnten wir da das kollektive Unbewusste hören? Das wollte ich schon immer.«
»Du hast absolut recht, Happy, das ist echt enervierend«, sagte JC. »Und wenn du noch mehr solche Ideen hast, dann bitte, behalt sie für dich. Auch wenn ich überhaupt nicht an das menschliche Unbewusste glaube.«
»Mutig«, gab Happy zurück. »Denn es glaubt an dich.«
»Seid doch mal still«, befahl Melody. »Ich höre hier zu. Das Elektronische-Stimmen-Phänomen ist einerseits ein neuer und noch kaum erforschter Zweig der Physik. Nun, vielleicht gehört EStP auch zur übersinnlichen Wahrnehmung, je nachdem. Wie auch immer, es gibt eine Menge Theorien, aber kaum Indizien, denen man trauen kann. Andererseits sind da die Augenblicke, in denen alles hochkommt und einem in die Nase beißt. Und einem eine Heidenangst einjagt. Ihr alle hört das doch, oder? Ein Meer von Stimmen, die kommen und gehen, auf einem toten Kanal. Vielleicht sind das die Stimmen von allen, die je telefoniert haben, und die irgendwie gespeichert und
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