Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
musst direkt in den Bio-Reaktor hineingehen! Ganz hinein und hinten wieder hinaus!«
Er trat ermutigend auf sie zu, da erwachte der Tentakel wieder zum Leben. Dessen Wurzel befand sich immer noch im Bio-Reaktor, und so pulste neues Leben durch ihn hindurch bis zur Spitze. Der Arm schlang sich um JC und zerrte ihn zu Boden. Er schrie auf, als sich das Muskelgewebe um ihn schloss wie eine Boa constrictor. Melody und Happy stürzten sich auf ihn, packten den Tentakel und versuchten, ihn fortzureißen, aber der war stärker als alle drei zusammen. Kim zögerte, doch JC schrie sie an.
»Kümmer dich nicht um mich! Du musst durch den Reaktor gehen! Er kann dich nicht verletzen!«
»Ich kann dich nicht verlassen!«, sagte Kim.
»Du musst! Jetzt beweg dich schon! Na los!«
Kim rannte los und tauchte durch die offene Luke in den Bio-Reaktor hinein. In dem Moment, in dem sie in das riesige Gerät hineinglitt, verschwand das grimmige Licht und der Tentakel fiel tot zu Boden. JC wand sich mit Melodys und Happys Hilfe aus dem Griff des Dings. Sie stellten ihn wieder auf die Füße und ließen zu, dass er sich unauffällig an sie lehnte, bis er wieder sicher auf seinen zwei Beinen stand. Kim kam jetzt hinter der leblosen Maschine hervor und schwebte mit bösem Blick auf JC zu.
»Ich kann nicht glauben, dass du mich gezwungen hast, das zu tun!«
»Es war nötig«, erklärte JC. Er war nur ganz wenig außer Atem. »Und Teil des Jobs. Wir alle spielen unsere Stärken aus. Ich war beinahe sicher, dass er dir nichts tun kann.«
»Beinahe!?« Kims Blick war sehr kalt. »Darüber unterhalten wir uns später, JC.«
Sie wandte ihm den Rücken zu und glitt schnell wieder in das lange Labor. Die anderen folgten ihr nach. Übergroße Organe lagen überall tot herum, sie verrotteten bereits. Die, die an der Wand und der Decke gehangen hatten, fielen einzeln oder zu zweit hinab, zerplatzten und lösten sich auf dem kalten, harten Boden langsam auf. Der Geruch war grauenvoll.
»Wisst ihr«, sagte JC, »ich hätte jetzt echt Appetit auf einen leckeren Grillteller.«
»Du Tier«, sagte Kim, ohne sich umzudrehen.
Kapitel 6
Geisterlicht
»Ich bin es wirklich leid, Treppen raufzuklettern«, sagte Happy und klang dabei noch genervter als üblich. »Ist ja nicht so, als führten die uns mal an einen netten Ort. Es fühlt sich immer noch eher danach an, als stiegen wir hinab statt hinauf. Sieht aus, als ob wir in die Hölle hinaufsteigen, Stufe um Stufe um Stufe …«
»Wenn du noch pessimistischer wärst, würde sich über deinem Kopf dein höchstpersönliches Gewitter zusammenbrauen«, sagte Melody.
»Wenn die Neuen Menschen wirklich Supermenschen sind – oder vielleicht sollte man sie besser Posthumane nennen –, dann sollte es sich eigentlich anfühlen, als stiegen wir zum Himmel hinauf«, bemerkte JC. »Oder wenigstens so, als stiegen wir auf den Olymp, um mit den Göttern zu reden.«
»Und doch tut es das nicht«, unterbrach Happy. »Ist schon komisch, das.«
»Mit dir rede ich nicht, wenn du in dieser Stimmung bist«, sagte JC. »Melody, du bist doch diejenige, die jede Information aus dem Ärmel schütteln kann. Was sollte jetzt als Nächstes kommen?«
»Das könnte alles sein«, erwiderte Melody. »Über dieses Stockwerk war in den Computern nichts zu finden. Könnte genauso gut leer sein.«
»So viel Glück werden wir wohl nicht haben«, murmelte Happy.
»Auf Mister Schlechtgelaunt hören wir nicht«, sagte JC. »Das wäre allerdings unwahrscheinlich, oder? Ein ganzes Stockwerk leer, in einer Gegend mit so hohen Mieten?«
»Nichts in diesem Gebäude ergibt einen Sinn«, antwortete Melody. »Ich glaube nicht, dass die VU auch nur die Hälfte von dem wusste, was hier vor sich ging. Hier wurden ein paar Spielchen gespielt, und wir sind die aktuellen Spieler.«
»Du meinst die, die auch die Sonderförderung für ReSet zu verantworten haben? Wer auch immer das ist?«, fragte Happy, um zu zeigen, dass er nicht gedachte, irgendwo außen vor gelassen zu werden.
»Wer kann das schon wissen«, sagte JC. »Auf, vorwärts, meine Kinder!«
»Oh Gott, jetzt wird er wieder enthusiastisch«, nörgelte Happy. »Das ist immer gefährlich.«
»Halt die Klappe, Happy«, erklärte Melody.
Sie hielten an den Schwingtüren an, horchten leise, dann gingen sie direkt hinein, denn vorsichtig zu sein, hatte ihnen bisher auch nichts genutzt. JC stoppte die anderen mit einer erhobenen Hand in dem Moment, in dem sie hineinkamen. Das ganze
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