Das Haus der Sonnen
als erwartet.« Sie pellte die wachsartigen Linien des erstarrten Maschinenaspiks vom Arm und von den Fingern ab und drückte sie zu einem Ball zusammen, der in die Tube zurückwanderte, aus der die Masse hervorgequollen war. »Nichts, womit ich schon arbeiten könnte, aber sobald ich die anderen Scans zusammengesetzt habe, wissen wir mehr. Unter uns gesagt – am Ende kommt es doch heraus -, du hast doch nicht etwa versucht, irgendetwas zu verbergen, oder? Ich meine, es gab doch keinen speziellen Grund, weshalb du deinen Strang gelöscht hast?«
»Falls ich etwas zu verbergen habe, dann weiß nicht einmal ich selbst davon.«
»Das könnte durchaus der Fall sein. Das Gedächtnis spielt einem so allerlei Streiche. Aber …« Miere stockte. »Letztendlich vertraue ich dir. Du hast deine Fehler, das kannst nicht einmal du abstreiten, aber ich glaube nicht, dass du etwas mit dem Angriff zu tun hattest. Du gleichst einem Jungen, der am Strand nach hübschen Muscheln sucht. Du hast etwas aufgelesen, was dir ins Auge gefallen ist, hast es mit nach Hause gebracht und stolz herumgezeigt, hattest aber nicht die geringste Ahnung, was es wirklich bedeutete.« Miere legte eine Kunstpause ein. »Jemand aber hat es bemerkt. Jemand hat begriffen, was du da nach Hause gebracht hast, und hat beschlossen, dass wir alle deswegen sterben sollten. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was in der Muschelschale war.«
»Ich bin froh, dass du überlebt hast, Miere.«
»Dann sind wir schon zwei«, sagte sie.
Die vier Kabinen standen auf einem Podest, das von einer Freifläche umgeben war. Man hatte Mezereum für die Befragungen einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt. Hinter der Freifläche befand sich eine Art Tribüne für die interessierten Zuschauer; hinter den Sitzbänken ragten Wände mit schmalen Fensterschlitzen auf, durch die mattes Tageslicht hereinfiel. Es war mehr als genug Platz für alle Splitterlinge, unsere Gäste und eine kleine Abordnung von Einheimischen. Viele Augenzeugen waren bereits erschienen, als das Laufband mich absetzte. Zuvor hatte ich beobachtet, wie Portulas Shuttle in den Orbit gestartet war. Jetzt brannte ich darauf, zu erfahren, was die Gefangenen zu ihrer Beteiligung an dem Verbrechen zu sagen hatten.
Mezereums Timing und ihre Darstellerqualitäten waren unübertroffen. Bei ihrem Eintreten war die Atmosphäre bereits elektrisch aufgeladen, und das Zuschauergemurmel machte augenblicklich erwartungsvoller, angespannter Stille Platz.
Sie nahm vor dem Podium Aufstellung. Hinter ihrer schlanken, dunkel gekleideten Gestalt ragten bedrohlich die Stasiskammern auf. »Ich danke euch, Splitterlinge und Ihnen, verehrte Gäste, für euer und Ihr Erscheinen«, sagte sie und drehte sich auf den Absätzen zum Publikum um. »Heute werde ich die Gefangenen mithilfe von Synchromasch befragen.« Sie reckte den einen Arm. Der Ärmel fiel herab, und darunter kam ein klobiges weißes Chronometer zum Vorschein, das an ihrem blassen, schmalen Handgelenk befestigt und mit perlenförmigen Knöpfen und zahlreichen Rändelrädern ausgestattet war. »Da Sie vorab informiert wurden, gehe ich davon aus, dass die meisten ihr eigenes Masch oder ein entsprechendes Mittel mitgebracht haben, um den subjektiven Zeitablauf zu verlangsamen. Bitte wählen Sie einen Faktor von einhundert, aber warten Sie auf mein Zeichen.«
Sie wandte sich um, kletterte aufs Podest und trat vor die ganz rechts befindliche Kammer. Wie bei den anderen dreien stand die Tür offen. Der Gefangene saß innerhalb einer roten Schutzblase mit verlangsamtem Zeitablauf auf einer Art Thron. »Wir kennen nur den Namen des Mannes in der Kammer links außen. Grilses Kammer ist besser ausgestattet als die anderen drei – seine Aussichten, das Wiedereintauchen in den normalen Zeitablauf zu überleben, sind wesentlich besser. Für die übrigen drei schätze ich die Aussichten etwas schlechter ein – es ist nicht auszuschließen, dass von ihnen nur noch eine leere Hülle zurückbleibt. Deswegen will ich sie erst dann aus der Stasis holen, wenn ich so viel wie möglich ohne Ausübung von äußerem Zwang in Erfahrung gebracht habe. Das aber wissen sie noch nicht.« Mezereum öffnete das Steuerfeld der rechten Kammer, das eine ähnliche Unterteilung aufwies wie das, welches ich bei Grilses Kammer gesehen hatte, als Mezereum sie mir an Bord der Bummelant gezeigt hatte. Der Hebel war fast bis zum Anschlag nach rechts geschoben, was darauf schließen ließ, dass der
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