Das Haus der Sonnen
herstellen, sondern den Ablauf so zu organisieren, dass der Vorgang innerhalb weniger Tage und nicht Wochen abgeschlossen wäre. Als Zeichen meines guten Willens und um zu demonstrieren, dass ich nichts zu verbergen hatte, erklärte ich mich bereit, mich als Erster dem Scan zu unterziehen.
»Wenn du willst, lass ich dich aus«, sagte Miere, als wir in dem ihr zugewiesenen Raum allein waren. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber es gibt bestimmt Widersprüche zwischen dem Strang und deinen zugrundeliegenden Erinnerungen. Ich habe noch nie verstanden, weshalb die Familie darauf beharrt, dass jeder von uns seinen eigenen Strang bekommt.«
»Aus Tradition«, sagte ich. »Und zum Schutz vor Sabotage. Wenn ich vorhätte, allen anderen Splitterlingen etwas Böses in den Kopf zu pflanzen, würde ich Gefahr laufen, mich selbst zu infizieren.«
»Wenn das deine Absicht wäre, könntest du entsprechende Vorkehrungen treffen.«
»Aber es wäre schwieriger und die Wahrscheinlichkeit, dass es schiefgeht, daher größer. Wie auch immer, ich glaube, es geht dabei eher um Symbolik als um praktische Erwägungen. Willst du mich nun scannen oder nicht?«
»Ja, falls du gerade nichts Besseres vorhast. Möchtest du nicht lieber dabei zuschauen, wie Mezereum sich ihren Nervenkitzel verschafft?«
»Höre ich da einen Anflug von Missbilligung heraus?«
Miere rümpfte die Nase, als nähme sie einen üblen Geruch wahr. »Lass es uns mal versuchen. Wenn das Signal-Rausch-Verhältnis zu klein ist, verwerfe ich deine Daten.«
»Klingt schmerzhaft.«
»Leg dich hin«, sagte sie mit übertriebener Strenge. Miere wusste, dass ich sie mochte, weshalb unsere Begegnungen stets von einer angenehmen Spannung gekennzeichnet waren. Ich glaube, sie mochte mich ebenfalls.
Ich legte mich auf die Liege und atmete aus, während sie mit der Arbeit begann. Sie nahm eine Art Farbtube und drückte sich deren Inhalt auf die linke Hand und den Arm bis zum Ellbogen, wobei sich ein dickes Netzmuster wachsartiger Linien bildete, das sich von der Armbeuge bis zu den Fingerspitzen zog. An der linken Hand trug sie mehrere Ringe, keinen an der rechten, doch sie achtete darauf, dass die Wachslinien nicht mit dem Schmuck in Berührung kamen. In Sekundenschnelle härtete der Maschinenaspik zu einem flexiblen Netzwerk aus. Miere hielt ihre Hand an meinen Schädel, als wärmte sie sich an einem heißen Stein. Sie bewegte die Hand langsam hin und her, die Finger ganz steif, wie bei einer Tänzerin. Hin und wieder blickte sie auf eine Anzeige an der Wand. Während die Tiefensensoren mein Gedächtnis durchforsteten und die Muster identifizierten, die als Teil eines Strangs gekennzeichnet waren, flackerten subliminale Erinnerungsfetzen auf, wie auf eine Leinwand projizierte Bilder. Es war, als betrete ich den Puppenpalast und spürte, wie das Spiel meinen Kopf durchsuchte.
»Bist du schon mit den Flugprotokollen weitergekommen?«
»Halt still. Wenn du dich nicht bewegst und den Mund hältst, geht es schneller.«
»Entschuldige.«
»Um deine Frage zu beantworten, ich habe mir die Protokolle noch nicht angeschaut. Damit fange ich an, wenn ich genug Stränge habe, die ich damit abgleichen kann. In den Protokollen wird sich vermutlich nichts finden, aber ein Versuch schadet nicht. Du bist mir nämlich etwas schuldig. Ich habe da draußen deine Haut gerettet.«
Ich brummte zustimmend.
»Dir wird schon etwas einfallen, wie du dich erkenntlich zeigen kannst. Vielleicht begehe ich ja eines Tages eine ähnliche Dummheit und lösche meine Stränge – wer weiß?« Mit der freien Hand streifte Miere sich eine blauweiße Haarsträhne zurück. »Du kannst einen wirklich rasend machen, Campion. Manchmal glaube ich, du verkörperst das Beste, wofür die Familie steht, dann wieder finde ich, man hätte dich schon vor vielen Umläufen verbannen sollen. Dein Problem ist, dass du nichts richtig ernst nimmst. Manchmal ist das gut – wir können schließlich nicht alle wie Schwingel oder Betonie sein -, aber dann wieder … na ja, ich will nicht darauf herumreiten; das wirst du in der nächsten Zeit noch oft genug zu hören bekommen. Zum Glück passt Portula auf, dass du nicht allzu weit vom Pfad der Tugend abweichst. Ihre Geduld kennt keine Grenzen. Ich an ihrer Stelle hätte dir bereits ein Denkmal gesetzt.«
Das hieß, sie hätte mich umgebracht.
Bald darauf war Miere fertig und forderte mich auf, mich zu erheben. »Hast du einen sauberen Scan bekommen?«
»Nicht schlechter
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