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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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kriegstauglich. Und Ihr Anzug ist vollkommen harmlos.«
    »Und ich?«
    »Wir haben in Sie hineingeschaut. Wir haben Fleisch und Knochen gefunden sowie einige harmlose Geräte. Der Datenspeicher könnte natürlich auch eine Bombe sein, aber dieses Risiko müssen wir eingehen. Keine Wissensaneignung ist gänzlich ohne Risiko.«
    Ich wurde von einem Schwall Flüssigkeit den Schlund des Kurators hinuntergespült. Von den Lampen des Anzugs in fahle Rosa- und Malventöne getaucht, schloss sich vor mir der schwammartige Kehldeckel, kurz bevor ich hindurchschlüpfte. Ich sollte in den Bauch wandern, nicht in die Lunge.
    Ich glitt die Speiseröhre hinunter, deren Wände die Flüssigkeitsblase, in der ich schwebte, mit Kontraktionsbewegungen weiterbeförderten. Schließlich mündete der sich verengende Kanal in eine warme, mit Flüssigkeit gefüllte Höhlung. Ich nahm an, dass ich mich tief im Körper des Kurators befand, wahrscheinlich in der unteren Bauchregion, doch ich hatte keine Ahnung, in welchem Organ oder welchem Teil eines Organs ich da gelandet war. Es war durchaus möglich, dass die Anatomie des Kurators selbst dann, wenn man die unterschiedlichen Größenverhältnisse in Betracht zog, nicht viel Ähnlichkeit mit der eines durchschnittlichen Menschen hatte.
    Die Eigentümlichkeiten des Verdauungstrakts des Kurators wurden deutlich, als ich die Umgebung einer eingehenderen Musterung unterzog. Der Hohlraum war mehr oder weniger halbkugelförmig, die Eintrittsöffnung lag in der Nähe des Pols der Hemisphäre. Die Wände waren von steifen, glänzenden Streben geriffelt, die von der Öffnung ausgingen – offenbar eine Art Knochen oder Knorpel. Die Rippen bogen und entspannten sich in einem ganz langsamen Rhythmus, als atmete irgendwo über uns die fesselballongroße Lunge des Kurators, versteckt hinter einer meterdicken Bauchdecke und Rippenfell.
    Was ungewöhnlich war an der Kammer und keine Entsprechung in meinem Körper hatte, war der Boden – oder die Wand – gegenüber dem gewölbten Abschnitt. Es handelte sich um ein Meer in wogender Bewegung begriffener Arme, vergleichbar einer Kolonie von Seeanemonen. Die Arme waren zwei- bis dreimal so lang wie ich, pulsierten in hypnotischen Farben und flackerten und blitzten, wenn sie aneinander streiften. Einige Arme waren zurückgebogen; ihre Enden verschwanden in der leuchtenden Masse. Als ich näher heranschwamm, sah ich, dass in den Lücken zwischen den Armen dunkle Objekte steckten, die tief in der fleischigen Masse versenkt waren, in denen die Arme wurzelten. Es gab Zylinder, Würfel und eiförmige Objekte, und die zurückgebogenen Arme waren mit ihnen verbunden, hafteten mit den saugnapfartigen Enden an den Außenseiten der Objekte oder reichten durch Löcher oder Spalten bis in sie hinein.
    Ich hielt immer noch den Datenspeicher in der Hand. Ohne weitere Anweisungen abzuwarten, versetzte ich ihm einen Schubs in Richtung der wogenden Arme und ließ ihn los. Etwa ein Dutzend Arme reckten sich ihm entgegen, dehnten sich bis zum Äußersten und wedelten wie hungrige Tiere mit den Enden. Der Speicher fiel zwischen die Arme, die sich darum stritten, wem er gehören sollte.
    »Willkommen in meinem Verdauungstrakt«, sagte der Kurator. »Das ist ein Interface meines Nervensystems. Ich besitze noch andere Schnittstellen, aber die hier reicht für unsere Zwecke aus.«
    »Die anderen Objekte – das sind ebenfalls Datenspeicher, nicht wahr?«
    »Speicher oder etwas Vergleichbares. Die meisten wurden mir von ihren Besitzern überlassen. Von Ihnen erwarte ich das nicht, aber ich bin gleichwohl neugierig auf den Inhalt.«
    Einer der Arme legte sich um die Mitte des Speichers und stellte Kontakt zu dem goldenen Interfacering her. Der Arm schillerte in allen Farben; pulsierende Farbwellen wanderten von der Spitze zur fleischigen Wurzel.
    »Lesen Sie die Daten jetzt aus?«
    »Der Prozess hat begonnen, Splitterling. Es wird eine Weile dauern, doch dabei muss man gewissenhaft vorgehen. Die Daten wandern lediglich in meinen Kopf. Ich bin der Puffer zwischen Ihrem Speicher und dem Rest der Vigilanz. Wir schützen uns seit jeher mit strengen Sicherheitsvorkehrungen vor Datenkontamination.«
    »Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Kurator?«
    »Fragen schadet nie.«
    Das stimmt nicht immer, dachte ich. Wie der Kurator soeben selbst bestätigt hatte, war sogar der unschuldige Vorgang des Datenerwerbs potenziell gefährlich.
    »Ich wüsste gern mehr über die Vigilanz.«
    »Viele

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