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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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voll auszuleben?«
    »Das wollte ich damit nicht sagen. Aber mein Gehirn ist von dem der Kopfjäger, die unsere Vorläufer waren, gar nicht so verschieden. Es wurde ein wenig modifiziert, damit ich Erinnerungen und die Lebensstränge meiner Mitsplitterlinge besser verarbeiten kann, doch die grundlegenden Strukturen hat Abigail unverändert gelassen. Unser Verstand taugt nicht dazu, so große Zeiträume ungekürzt zu durchleben.«
    »Sie würden wahnsinnig werden.«
    »Ich würde Hilfe brauchen.«
    »Sie fragen sich bestimmt, wie wir damit zurechtgekommen sind. Es ist bekannt, dass die Kuratoren sehr alt und sehr langlebig sind. Anders als Sie und die ausgestorbenen Randläufer verfügen wir nicht über den Luxus der Zeitdilatation, der es uns erlauben würde, die Jahrhunderte vorbeifliegen zu lassen.«
    »Sie scheinen aber recht gut damit zurechtzukommen.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Allein schon das lange Bestehen der Vigilanz ist ein Beleg dafür, dass Sie die mit extremer Langlebigkeit einhergehenden Probleme in den Griff bekommen haben. Keine andere stellare Kultur hat so lange durchgehalten.«
    »Die Vigilanz wäre sinnlos, wenn sie flüchtiger Natur wäre. Unsere Wache ist lang und einsam. Es war uns immer schon bewusst, dass sie große Geduld und langen Atem erfordern würde.«
    »Sind Sie so alt wie die Vigilanz?«
    »Dann wäre ich über fünf Millionen Jahre alt, Splitterling.«
    »Ich bin fast sechs Millionen Jahre alt.«
    »Aber nicht nach reiner Lebenszeit gerechnet. Sie wurden vor langer Zeit geboren, doch ich bezweifle, dass Sie mehr als ein paar Zehntausend Jahre subjektiver Zeit erlebt haben. Sie sind ein Bücherwurm, der sich durch die Seiten der Geschichte gefressen hat. Habe ich Recht?«
    »Diese Analogie ist durchaus zutreffend, Kurator.«
    »Wäre ich ebenso alt wie die Vigilanz, hätte ich all die Jahre ertragen müssen. Dann wäre ich einer der ältesten Organismen in der ganzen Galaxis.«
    »Nach allem, was ich weiß, könnte dies zutreffen.«
    »Ich bin nicht der älteste Kurator, doch ich wachse noch. Das gilt für uns alle. In der Frühzeit unseres Bestehens fanden wir heraus, wie wir biologisch unsterblich werden konnten. Das schloss freilich unaufhörliches Wachstum ein. Es gibt andere Möglichkeiten, doch wir haben uns für diese entschieden.«
    »Gibt es größere Kuratoren als Sie?«
    »Gewiss. Aber Sie werden sie nicht zu sehen bekommen. Sie bewohnen die größten Knoten mit den wichtigsten Kernen. Die meisten sind inzwischen zu groß, um die Knoten zu verlassen. Allein ihr Kopf würde diesen Raum hier vollständig ausfüllen. Diese Wesen besitzen ehrfurchtgebietende Weisheit, sind aber auch sehr langsam. Doch daran lässt sich nichts ändern: Wenn synaptische Signale Entfernungen von mehreren Hundert Metern zu durchmessen haben, beansprucht schon der simpelste Gedanke mehrere Minuten Zeit. Der Umgang mit ihnen ist … anstrengend. Das werden Sie sicherlich verstehen. Aus unserer Perspektive … nun, darüber sollten wir besser schweigen.«
    Es wunderte mich nicht besonders, Umgang mit einem Riesen zu haben, wenngleich ich mir schon ein paar Gedanken über die wahre Natur meines Gastgebers machte. Viele Berichte des Datenspeichers erwähnten die enorme Größe der Kuratoren, wenngleich sich die Einzelheiten zu sehr widersprechen, um von Nutzen zu sein. Wenn ich der Vigilanz den Rücken kehrte, würde ich meinen Beitrag zu dem verwirrenden Gesamtbild leisten. Der nächste Besucher würde vielleicht schon wieder ganz andere, verstörende Erfahrungen machen.
    »Leben Sie ständig in dem Raumanzug?«, fragte ich.
    »Nicht immer. Wir atmen eine Flüssigkeit ein, keine Luft, aber das können Sie kaum wissen. Es gibt Räume, in denen wir den Raumanzug ablegen können, doch es wäre zu aufwendig, sämtliche Knoten mit Druckkammern auszustatten. Irgendwann wachsen wir aus unserem Anzug hinaus. Dann müssen wir einen Anzug übernehmen, den ein noch älterer Kurator abgelegt hat. Ich lebe schon seit mehr als hunderttausend Jahren in diesem Anzug und habe immer noch Platz zum Wachsen. Vor mir hatte der Anzug andere Bewohner. Auf Sie wirkt der Anzug bestimmt uralt, doch er ist sehr robust konstruiert. Nach mir wird er noch viele andere Bewohner haben.«
    »Mein Raumschiff gilt als das älteste meiner Familie. Aber mir reicht es.«
    »Das ist das Entscheidende, Splitterling.«
    »Möchten Sie den Inhalt meines Datenspeichers inspizieren, Kurator? Sie werden kaum etwas Interessantes darin

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