Das Haus der Sonnen
ausgebildet, doch dann geriet er in Ateshgas Gefangenschaft, bevor er die Umwandlung abschließen konnte. Er wollte sich nicht verkleiden, um sich unter den Rest der Menschheit zu mischen, sondern um in die Vigilanz und deren Archive zu gelangen. Glauben Sie, das hätte funktioniert, Hesperus?« »Ich vermute, dass ich mir des Erfolgs recht sicher war.« »Aber Sie hätten einen so großen Teil Ihrer selbst verbergen müssen«, gab Portula zu bedenken. »Sie hätten vielleicht nach außen hin menschlich gewirkt, doch ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie eine eingehendere Untersuchung hätten bestehen sollen.«
Hesperus brachte die Verkleidung wieder an. »Ich kann nur vermuten, dass ich dieses Problem bereits mitbedacht habe. Offenbar hatte ich die Absicht, einen großen Teil meines kognitiven Volumens biologischen Komponenten wie Muskeln und Sehnen zu überlassen, weshalb ich für die Dauer des Einsatzes bestimmte Fähigkeiten hätte unterdrücken oder ganz auf sie verzichten müssen. Ich hätte ein mechanisches, mit Prozessoren gespicktes Skelett besessen, doch es wäre denkbar, dass es mit verschiedenen Geräten ausgestattet gewesen wäre, welche die Scanner hätten veranlassen können, nur Fleisch und Knochen anzuzeigen. Auf jeden Fall wäre ich sowohl für Verletzungen wie auch für eine Entdeckung anfällig gewesen. Dieses Risiko wäre ich nur dann eingegangen, wenn es einen wichtigen Grund gab, Zugang zu den gesuchten Informationen zu erhalten.«
»Hätte man Sie entlarvt«, sagte Portula, »hätte die Vigilanz sich nie wieder mit Maschinen eingelassen – auch nicht über den Umweg menschlicher Vermittler. Das müssen Sie gewusst haben, und doch hielten Sie es für angebracht, das Risiko einzugehen.«
»Es muss sich um eine Angelegenheit von allerhöchster Wichtigkeit gehandelt haben«, sagte Hesperus, der sich erstaunt und skeptisch zugleich anhörte, als könnte er selbst nicht glauben, dass er sich je auf ein solch gefährliches Unternehmen eingelassen haben sollte.
»Sie arbeiten ihm in die Hände«, sagte Doktor Meninx. »Merken Sie das nicht? Er hat sich auf die Vigilanz gestürzt, weil er auf diese Weise eine Erklärung für den Arm fabrizieren kann – einen anderen Grund gibt es nicht.«
»Wenn ich kein Interesse an der Vigilanz gehabt habe«, entgegnete Hesperus geduldig, »weshalb hätte ich mich dann im Scutum-Crux-Arm aufhalten sollen?«
»Der Punkt geht an ihn«, sagte ich.
»Ich habe genug gehört«, sagte der Avatar und machte, begleitet von Papiergeraschel, auf dem Absatz kehrt. »Sie lassen sich manipulieren, verehrte Splitterlinge – manipulieren und belügen. Das Klügste wäre, dieses Ding mit Gewalt in den Käfig zurückzuschaffen. Wenn Sie Hesperus ungehindert auf dem Schiff umherstreifen lassen, bezweifle ich sehr, dass auch nur einer von uns je wieder aufwachen wird. Jedenfalls schätze ich meine Aussichten nicht sehr gut ein.«
Während das Avatar sich entfernte, sagte Hesperus: »Es tut mir leid, dass ich der Anlass für so große Unstimmigkeiten bin. Vielleicht hat der Doktor ja Recht: Es wäre alles viel einfacher, wenn ich in den Käfig zurückkehren würde.«
»Das kommt nicht in Frage«, sagte ich.
»Auf gar keinen Fall«, pflichtete Portula mir bei. »Meninx kann meinetwegen in seinem Tank verrotten. Allmählich wünschte ich, die Zentauren hätten bei seinem Schwimmausflug ein paar Raubfische durch den Impassor gelassen.«
Zwei Tage später schliefen Portula und ich miteinander, dann verabschiedeten wir uns. Sie flitzte zurück zu der Silberschwingen des Morgens und überbrückte die Entfernung nahezu ohne Zeitverlust. Dann legte sie sich in ihren Kryophag, während ich mich in die Stasiskammer begab, die Zeitkompression einstellte und mir zwei Tropfen Synchromasch in die Augen träufelte. Sie würde träumen, während die Maschine ihren Körper bis an den Rand des Todes abkühlte; für mich würde nur ein Moment subjektiver Zeit verstreichen.
Ich war vollkommen ruhig. Wir hatten unsere Stränge bearbeitet und zwei konsistente Geschichten fabriziert. Wir würden uns um fünfundfünfzig Jahre verspäten, doch wir hatten einen weiteren Umlauf überlebt und hatten einen Gast an Bord, der dafür sorgen würde, dass alles ein gutes Ende nähme.
Mit den Gedanken bei Portula legte ich mich nieder und wünschte, sie wäre bei mir. Miteinander zu schlafen war ein Spiel der Echos. Wir hatten unsere Erinnerungen so oft miteinander geteilt, dass ich jedes Mal, wenn
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