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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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der Name Goldene Stunde kommt«, sagte ich auf dem Weg zum Spielzimmer mit dem wartenden Wunder des Puppenpalasts zu dem kleinen Jungen.
    »Das weiß doch jeder.«
    »Du aber nicht, wetten?« Sein Schweigen fasste ich als Aufforderung zum Fortfahren auf. »Sie heißt so wegen dem Licht. Nichts ist schneller als das Licht, auch nicht die Nachrichten, die wir versenden. Solange man auf einem Planeten lebt oder einem Mond, macht das nichts. Aber als wir in den Weltraum vorgedrungen sind, haben wir uns immer weiter voneinander entfernt. Man konnte keine normalen Unterhaltungen mehr führen – es dauerte einfach zu lange, bis die Antwort eintraf. Deshalb können wir beide uns nur dann unterhalten, wenn wir zusammen sind und uns im selben Haus aufhalten. Dein Zuhause befindet sich momentan auf der anderen Seite der Sonne – wenn ich dir Hallo sagen würde, müsste ich stundenlang warten, bis du mir antworten würdest. Irgendwann merkten die Menschen, wie lästig es war, so weit voneinander getrennt zu leben – sie fühlten sich einsam und abgeschnitten. Sie wollten im Weltraum leben, weil sie glaubten, sie könnten dort machen, was sie wollten, aber nicht so weit verteilt, dass eine Unterhaltung sich über Stunden hinzog. Deshalb kamen sie zur Goldenen Stunde, wo die meisten von uns leben. Der Infowürfel meint, das ist eine Ringfläche um die Sonne, vergleichbar einem Doughnut. Der Durchmesser beträgt eine Lichtstunde. Dazu gehören Planeten und ein paar Monde, aber auch zahllose Kleine Welten, genau wie diese. Lebt man in der Goldenen Stunde, braucht man auf eine Antwort höchstens zwei Stunden zu warten und meistens noch weniger. Der Würfel meint, es hätte zehn Generationen in Anspruch genommen, bis sich diese Lebensweise in der menschlichen Zivilisation durchgesetzt hat« – ich mochte komplizierte Wörter, besonders wenn der Würfel sie mich gelehrt hatte -, »aber jetzt, da wir sie angenommen haben, kann sie mehrere Tausend, vielleicht sogar Zehntausende Jahre währen. Ist das nicht aufregend? Wir könnten ewig Freunde bleiben!«
    »Das glaube ich nicht«, sagte der Junge abweisend. »Mein Vater meint, sie wird nicht von Dauer sein.«
    »Was wird nicht von Dauer sein?«
    »Die Goldene Stunde natürlich. Er sagt, das ist eine vorübergehende Erscheinung. Er sagt, irgendwann wird es uns langweilig werden und wir fangen wieder Krieg an, oder wir finden heraus, wie man die Lichtgeschwindigkeit überwinden kann. Aber das ist dann sowieso egal.«
    Ich fühlte mich ihm überlegen. »Wir gehen nicht weg von hier. Der Würfel meint, das wäre sinnlos. Außerhalb des Sonnensystems gibt es nichts, was wir nicht schon kennen würden, weshalb sollten wir dann dorthin fliegen? Wir haben Planeten und Monde, um darauf zu leben, und genug Kleine Welten für alle.« Ich bemühte mich um einen ernsthaften Tonfall, obwohl ich nur ein Argument nachplapperte, das man mir vorgekaut hatte, anstatt dass ich selbst darauf gekommen wäre. »Interstellare Reisen wären selbst dann sinnlos, wenn wir dazu in der Lage wären. Und das sind wir nicht.«
    »Es hat schon mal geklappt«, erklärte der Junge. »Menschen sind nach Epsilon Indi geflogen und wieder zurück.«
    »Das war eine reine Schaunummer – das hat nichts gebracht. Und die Menschen, die dorthin geflogen sind, wurden nach der Rückkehr wahnsinnig. Sie konnten sich nicht an die Veränderungen gewöhnen, die in der Zwischenzeit stattgefunden hatten.«
    »Sie waren nicht schnell genug. Aber möglich ist es. Früher oder später werden wir sogar schneller fliegen können als das Licht. Vater meint, das ist bei der vielen Forschung nur eine Frage der Zeit.«
    »Ich bezweifle das.«
    »Lies etwas anderes im Würfel, Abigail. Tu mir den Gefallen.«
    »Man kann nicht schneller sein als das Licht – das geht einfach nicht.«
    »Weil du es sagst?«
    »Weil das der Infowürfel sagt«, erwiderte ich eingeschnappt. »Und der Würfel hat immer Recht.«
    »Wie mit dem Schwarzen Loch unter deinem Haus? Du hast doch nachgeschaut, oder?«
    »Es gibt keinen Grund, sich davor zu fürchten.«
    »Bla-bla-bla.«
    Das Problem war, dass ich mir meiner Sache zwar sicher war, meinen Standpunkt aber nicht mit Argumenten untermauern konnte. Im Würfel hatte ich gelesen, die Lichtgeschwindigkeit stelle eine Grenze dar, die niemand überschreiten könne; selbst nach tausend Jahren Experimenten hatte es – trotz einiger trügerischer Hoffnungsschimmer – noch niemand geschafft, sie zu überwinden. Das

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