Das Haus der Tänzerin
Nebenstraßen und Gassen zum Palacio del Marqués de Dos Aguas. Um diese Zeit, dachte sie, sollten die Cafés offen sein, die Kinder sollten mit den kläffenden kleinen Hündchen spielen, die auf der Straße herumrannten, während die Eltern unter den Sternen saßen, sich unterhielten, Tapas aßen und tranken. Aber in den Straßen herrschte eine unheimliche Stille. Brandgeruch hing schwer in der Luft. Läden und Cafés waren verriegelt. Rosa hörte nur die Soldaten, die hinter ihr marschierten, und ihren eigenen Atem.
»Ist er in Sicherheit?«, fragte sie ruhig.
»Nicht jetzt …«
Sie riss sich los. »Ist Jordi in Sicherheit?«
Sein Blick wurde hart. »Ich habe etwas ausgehandelt«
»Wenn ich jemals herausfinde, dass du ihn hintergangen hast …«
»Dann?«
Rosa stolperte absichtlich und bückte sich, um nach ihrem Schuh zu sehen. Langsam ging er neben ihr in die Hocke, die Mündung seiner Pistole kratzte über das Pflaster. Ohne ihn anzusehen, sagte sie leise: »Dann bezahlst du dafür.« Sie hob den Blick und sah ihn an. »Du hast mich jetzt. Du hast mein Wort. Ich kaufe seine Freiheit mit meinem Körper. Aber meine Seele wirst du nie, niemals bekommen.«
Vicente umklammerte fest ihr Handgelenk. »Du dumme Frau.« Er beugte sich nahe zu ihr. Sie spürte seinen heißen Atem am Ohr, roch den schalen Tabak. »Es ist nicht deine Seele oder dein Herz oder deine Liebe – was auch immer du so hochschätzt –, wofür ich mich interessiere.« Sie wehrte sich, aber er hielt sie fest. »Heute Nacht, und jede Nacht, wirst du in meinem Bett sein. Ich werde dich vergessen lassen, dass mein Bruder je existiert hat.« Ihr wurde übel, als sie seine Goldzähne an ihrem Ohrläppchen spürte. »Ich habe dich. Und du hast unser Kind.« Er ließ sie los, und sie schauderte, als er sich entfernte.
»Ist dir kalt?«, fragte er so laut, dass die Soldaten es hören konnten.
Sie drehte sich zu ihnen um und schüttelte den Kopf. Sie gingen weiter und kamen an einem von Fackeln erleuchteten Hof vorbei. Die schweren Doppeltüren standen offen, und Rosa erhaschte einen Blick auf nationalistische Soldaten, die um ein Feuer herumsaßen und lachten und rauchten. Dahinter lag eine Leiche, nackt und mit schmutzigen Füßen, die aus dem Schatten einer Mauer ragten. Sie war von Kugeln durchlöchert. Rosa schluckte, als Vicente ihr den Arm um die Taille legte und sie zur Straße führte.
»Du bist eine vernünftige Frau, Rosa. Du magst vielleicht denken, ich tue dies aus Liebe, aber mein Bruder war ein Narr, ein junger Narr. Du bist klüger als er. Du bist eine Überlebenskünstlerin.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf.
»O doch.« Er grub ihr die Finger in die Hüfte, als er sie näher zu sich zog. »Ein neues Zeitalter ist angebrochen, Rosa, und es zahlt sich aus, auf der Gewinnerseite zu sein.« Er streckte den Arm aus und zeigte quer über die ganze Stadt. »Das wird alles uns gehören. Unsere große Stadt wird sich wieder erheben, und diesmal haben wir das Sagen. Wir haben Ansehen, Reichtum.«
Rosa blickte zu der kunstvoll gestalteten Palasttür auf, und ihr Magen krampfte sich vor Angst zusammen.
»Was ist denn da los, del Valle?« Ein Offizier lachte. »Ohne Auto?«
»Es ist ein schöner Abend für einen Spaziergang mit meiner Frau.«
»Ihrer Frau?« Er beäugte sie mit einer Mischung aus Neugier und Lust. »Gratuliere. Wo haben Sie denn diese Schönheit versteckt?« Er verneigte sich tief und gab ihr einen Handkuss.
»Ein kluger Mann bewahrt seinen Schatz zu Hause auf«, sagte Vicente.
Rosa blinzelte, als die Tür aufschwang und sie die dunkle Straße hinter sich ließen. Das Licht im Inneren war überwältigend, die Kronleuchter glitzerten, und der Brunnen funkelte, als sie durch den gekachelten Hof gingen. Sie hob den Saum ihres Rocks an, und sie gingen die Treppe zum Prunksaal hinauf, vorbei an salutierenden Soldaten.
»Der General ist im fumoir «, sagte der Soldat und führte sie durch einen Nebenraum. »Kommen Sie, zollen Sie ihm Respekt.« Männerstimmen und lautes Gelächter trieben mit dem Zigarrenrauch nach draußen. Rosa hob den Handrücken an die Lippen, atmete den frischen Duft von Orangenblüten ein.
»Sprich nur, wenn du angesprochen wirst«, zischte ihr Vicente zu, als es lauter wurde. Der Raum erinnerte Rosa an ein Schachspiel; alles war schwarz und weiß – der gekachelte Boden, die Ebenholzmöbel mit den Elfenbeinintarsien, die Uniformen der Soldaten. Mitten im Raum saß der siegreiche General und
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