Das Haus der Tänzerin
hätten wir es Emma sagen sollen.«
»Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht. Sie hat so viel um die Ohren.« Freya schaute aus dem Fenster, als das Flugzeug landete. »Ich hätte nicht gedacht, dass Delilah den Mut hat, hier aufzutauchen, aber nachdem ich gestern Abend mit Em gesprochen habe, habe ich ein ungutes Gefühl …«
Charles spürte ihre Besorgnis und tätschelte ihr die Hand. »Keine Sorge. Für uns ist es zu spät, aber nicht für Emma.« Charles lehnte den Kopf zurück und betrachtete die vertrauten Gebirgszüge. Er dachte an Gerda, an Hugo.
»Wo sind all die Jahre hin, Charles?«, sagte Freya schwermütig. »Wenn wir nur …«
»Wenn wir nur? Man darf sein Leben nicht damit verschwenden, die ganze Zeit nur ›Was wäre, wenn‹ zu denken. Es gibt kein ›glücklich bis ans Lebensende‹. Man kann froh sein, wenn man zufrieden ist. Aber Glück – wahres Glück –, das ist wie einer von meinen Schmetterlingen. Überwältigend, unglaublich, und man findet es, wenn man es am wenigsten erwartet.« Er blinzelte rasch und sah Freya an. »Es verschwindet zu schnell wieder.«
Freya drückte ihm die Hand. »Nicht, wenn du es im Flug fängst.«
Delilah schleppte ihren letzten Koffer zum Auto. Im Haus klingelte das Telefon. Sie ging wieder nach drinnen und schloss die Tür.
»Bei Temple«, meldete sie sich.
»Delilah, bist du das?«
»Ach, Frey, wie schön, von dir zu hören.«
»Was machst du da?«
»Um ehrlich zu sein, ich bin gerade im Aufbruch. Emma hat die Verträge unterschrieben.«
»Ist Emma da?«
Delilah wandte den Kopf, als sie den Schlüssel im Schloss hörte. »Nein, sie ist schon früh zu einer Besprechung.«
Solé schob den Kinderwagen durch die Tür. »Verzeihung. Ich habe sein Fläschchen vergessen, und er hatte Hunger.«
»Du bist ein Parasit, Delilah! Schon immer. Du hast alles und jeden leer gesaugt.«
»Bla bla bla, du hörst dich an wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat, Freya.«
Delilah bedeutete Solé, ihr das Baby zu geben. Joseph fing an zu weinen.
»Ist das Joseph?«, sagte Freya. »Warum hat Emma dich mit ihm allein gelassen?«
Delilah lächelte, als sie die Panik in Freyas Stimme hörte.
»Geh einfach. Du hast jetzt alles, was du willst«, sagte Freya.
»Ausnahmsweise hast du diesmal absolut recht.«
»Sie hat einfach aufgelegt.« Freya und Charles schlurften aus der Ankunftshalle hinaus in das helle Sonnenlicht.
»Emmas Handy ist ausgeschaltet.« Charles schaute blinzelnd auf sein Handy.
»Das sollte sie nicht dauernd tun. Wie oft habe ich ihr das schon gesagt? Versuch’s weiter. Wir müssen sie warnen.« Freya drehte sich ungeduldig um. »Komm schon, Charles«, sagte sie und winkte mit ihrem Gehstock einem Taxi. »Die Barbaren stehen vor der Tür.« Sie schwang sich ihr Cape über die Schulter. »Unser Mädchen braucht uns. Wir müssen Delilah aufhalten. Ich könnte es nicht verkraften, wenn Emmas Kind etwas zustieße.«
64
Cuenca, März 2002
Die Straße nach Cuenca führte durch sanft geschwungene Hügel hinauf in die Berge. Der Boden hob sich rot und ockerfarben vom blauen Himmel ab, so wie das Blut und der Sand in der Stierkampfarena. Die Fahrt löste all die Spannung in ihr. Sie war froh, einfach mit Luca zusammen zu sein, schweigend mit ihm im Auto zu sitzen und zu wissen, dass ein ganzer Vormittag vor ihnen lag. Sie parkten außerhalb der Stadt und gingen über die Steinbrücke zu den Felsen. Die Häuser schienen am Fels zu kleben, die Holzbalkons hingen über dem Abgrund.
»Im Sommer sind die Felder hier in der Gegend voller Sonnenblumen«, sagte Luca. »Alle Blüten richten sich zur Sonne hin, sie drehen den Tag über die Köpfe in perfekter Formation.«
»Das würde ich gerne sehen. Und ich würde gerne einmal in diesem parador wohnen.« Sie schaute zu dem schönen alten Hotel hinüber.
»In Granada gibt es auch ein schönes, auf dem Gelände der Alhambra.« Luca führte sie zur Brücke. »Ich habe nie dort gewohnt, aber immer wenn ich zu den Gärten gehe, sehe ich Leute …« Er zögerte. »Paare. Es wirkt immer so …«
»Romantisch?«
»Ja.«
Luca führte sie zu einer schmalen Gasse hinter der Kathedrale von Cuenca. »Ganz anders als Valencia, oder?«
»Völlig.« Emma blickte die dunklen, uralten Mauern hinauf, spürte die Schatten, die Altertümer im Inneren. Sie fröstelte. »Ich komme mit diesem besonderen Gefühl in Spanien noch nicht klar, die Dunkelheit und das Licht.«
» Sol y sombra . Das sind wir.«
»Wenn ich
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