Das Haus der Tänzerin
Emma lief weiter. »Ich habe seine Mutter gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn sie etwas hören.«
»Sie werden sich über das Baby freuen …« Freyas Stimme verebbte.
»Ich sage es ihnen, wenn die Zeit gekommen ist. Aber jetzt noch nicht.« Emma zuckte zusammen. »Ich meine, immerhin haben sie jetzt eine richtige Schwiegertochter.«
»Delilah ist auf dem Heimweg.«
Emma wirbelte herum und sah sie an. »Bitte, sag ihr nichts.«
»Sie wird es irgendwann erfahren müssen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin noch nicht bereit, es ihr zu sagen. Dieses Baby ist das einzige Gute, das ich momentan in meinem Leben habe, und ich möchte mir das nicht auch noch von ihr kaputt machen lassen.« Emma begriff, was sie gerade gesagt hatte. »Eines von drei guten Dingen.« Sie hängte sich bei Freya und Charles ein, während sie weitergingen. »Ist jetzt alles durch? Ich habe die Papiere unterschrieben.«
»Ja, ich habe gesehen, dass du sie gestern Abend ins Büro gebracht hast.« Freya zeigte auf eine Bank. »Wollen wir uns setzen?« Charles wischte den Sitz ab und bot Freya seine Hand, während sie sich setzte. »Es ist so: Die Amerikaner sind ausgestiegen. Ehrlich gesagt, hatte ich genau das vermutet.« »Wegen des elften Septembers?« Emma holte tief Luft und blickte über den See. »Und wie geht es jetzt weiter? Ich kann unmöglich mit Lila zusammenarbeiten. Nicht jetzt, wo Joe nicht mehr da ist.«
»Das Paket bleibt bestehen. Delilah glaubt, sie kann einen anderen Käufer finden.«
»Dann lass sie.«
»Bist du dir da sicher, Em?«, fragte Charles. »Du musst nichts übereilen. Sie sollte diejenige sein, die geht.«
Emma schüttelte den Kopf. »Ich kann sie nicht abfinden, nicht mit ihrem und Joes Anteil. Als seine Ehefrau hat sie alle Karten in der Hand und gewonnen. Delilah besitzt nun all das Geld, das sie sich immer gewünscht hat. Joe war doch immer so gut organisiert. Bestimmt hat er gleich nach der Hochzeit sein Testament geändert.«
Freya nickte. »Delilah hat es mir gefaxt, als bräuchte ich einen Beweis. Es ist so ungerecht.« Sie stocherte verärgert mit ihrem Stock in einer zerknüllten Chipstüte herum. »Warum sollst du alles verlieren?«
Emma sah sie an. »Niemand behauptet, das Leben sei gerecht. Sieh dir nur Mum an.«
»Was hast du vor? Da ist natürlich noch das Studio. Du könntest von vorn anfangen …«
»Nein.« Emma schüttelte den Kopf. »Ich werde es verkaufen.«
»Und wo willst du wohnen? Du kannst gerne zu uns kommen, aber wir haben nur zwei Schlafzimmer.«
Emma überlegte. »Wisst ihr, ich habe eines Abends am Strand gesessen und mir gedacht: ›Ich kann überallhin.‹ Ich habe dich und Charles, und ich werde immer für euch da sein, aber mich bindet jetzt eigentlich nichts mehr. Es ist schon erstaunlich, wie schnell alles, was sich so stabil anfühlte, in die Brüche gehen kann. Joe, Mum, mein Zuhause, mein Job – alles ist weg.«
»Ach Em, mein Liebes.« Freya nahm ihre Hand.
»Das ist kein Selbstmitleid«, sagte sie. »Ich bin nur …« Emma fuhr sich durch die Haare. »Ich habe mir Mums Testament noch einmal durchgelesen, während ich weg war, und habe beschlossen, nach Valencia zu ziehen.«
»Was hast du?« Freya riss die Augen auf. »Für einen Urlaub ist das ja in Ordnung, aber weshalb willst du gleich dorthin ziehen?«
»Wieso nicht? Ich will mein Kind woanders großziehen, fern von all dem hier. Ich möchte einen ganz neuen Anfang.«
»Aber Liberty hat gesagt, in dem Haus hat seit Jahrzehnten niemand mehr gewohnt, Emma.« Charles holte eine alte Münze aus der Tasche und rieb mit dem Daumen darüber. »Wahrscheinlich ist es völlig baufällig.«
»Und wenn schon. Ich richte es wieder her, und zwar mit dem Geld, das ich aus dem Verkauf des Ateliers bekomme. Ich will ein ganz neues Leben anfangen. Ich hoffe natürlich, dass ihr mich besucht. Ihr könnt bleiben, solange ihr wollt.«
»Nein, das glaube ich nicht.« Charles schaute weg.
»Wieso nicht? Du hast Spanien doch geliebt.«
»Das Land, das ich geliebt habe, hat nicht überlebt, genauso wenig wie viele Menschen, die ich geliebt habe. Alles hat sich geändert.« Nervös spielte Charles mit der Münze.
»Aber nach all der Zeit? Valencia hört sich wunderbar an.«
»Das ist es auch.« Freya hielt inne. »Es war immer der Himmel auf Erden. ›Das Land aus Blumen, Licht und Liebe‹.«
»Wirklich?«
»Ach, das ist ein altes Lied.« Freya blickte über den See. »Die Berge, diese wunderbaren blauen Kuppen,
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